27. Januar 2024

Andreas Schleicher gibt ein Interview und die Lehrer sind empört

Auftakt zur Empörung war ein Interview mit Andreas Schleicher in der Stuttgarter Zeitung. Das Interview steht hinter einer Bezahlschranke. Ich habe es nicht gelesen. Auf die Empörung folgte ein Interview in der ZEIT, ebenfalls hinter einer Bezahlschranke. Die provokative Überschrift und der Text darunter bringt bei einigen Lehrkräften das Blut in Wallung.

"Der Lehrerberuf ist finanziell, aber nicht intellektuell attraktiv"

Andreas Schleicher

Andreas Schleicher, man mag es mögen was er sagt oder nicht, ist ausgewiesener Bildungsexperte. Er ist OECD-Bildungsdirektor und hat die Pisa-Studie erfunden. Er ist weiterhin Leiter der Studie. Wenn sich jemand vergleichend mit Bildungssystemen auskennt, dann dürfte es Andreas Schleicher sein.

Andreas Schleicher spricht sich dafür aus, dass Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter ihre Spielräume zur Gestaltung von Schule und Lernen besser ausnutzen. "Da kommt nicht die Schulinspektion, um das zu kontrollieren." Er spricht sich dafür aus, den Lehrplan nicht ganz so wörtlich zu nehmen und die Beziehung von Lehrkräften zu den Schülern stärker in den Fokus zu rücken.

"Lehrkräfte in anderen Ländern wissen, wie es den Schülern geht"

Er zeigt aber auch Verständnis für die Überlastung von Lehrkräften.

"Ich will die Herausforderungen, vor denen Lehrerinnen und Lehrer stehen, nicht kleinreden, sie sind enorm. Aber ich höre immer diesen einen Satz: Die Schule kann die Probleme der Gesellschaft nicht lösen. Genau das sollten wir allerdings von Schulen erwarten. Sie sind die Gesellschaft von morgen."

Lehrerbashing kann ich aus dem Text nicht herauslesen. Im Gegenteil. Der Text zeigt klare Mängel auf, bietet aber auch konstruktive Verbesserungsansätze, die auch Lehrerinnen und Schulleiterinnen helfen würden, ihren Berufsalltag besser zu bewältigen.

Viele Lehrerinnen und Lehrer wissen es besser ...

Meines Wissens nach hat er nie als Lehrer gearbeitet, sondern nur als Bildungsforscher und Statistiker und eben Kritiker der Lehrer. ... Aber die Lehrer haben diese Zustände nicht verursacht. (Freund der Vernunft)

Ich würde H. Schleicher raten, mal ein Jahr an einer Schule zu arbeiten. (Policarpa)

Ich weiß nicht, warum man Andreas Schleicher immer noch irgendetwas glaubt. ... (sstyouth)

auf Grund ihrer Vita spreche ich ihnen jedwede Kritik an der Lehrerschaft der Bundesrepublik ab. (mike Raff)

Es gibt aber auch andere Stimmen ...

Ich habe fast 40 Jahre in Gesamtschulen gearbeitet, zuletzt als Schulleiter ... Und muss klar und deutlich sagen: Hr. Schleicher hat recht. ...
Der Schlüssel liegt m.E. bei den Schulleitungen ... (arschhoch)

Präsenzpflicht aller Lehrkräfte von 07:30 Uhr bis 17:00 Uhr bei gut ausgestatteten Arbeitsplätzen. ... Anschließend sind 70 Prozent aller Struktur-Probleme gelöst und die Lehrkräfte sind viel weniger gestresst. Das sind die Erfahrungen unseres Gesundheitsprojektes an einer großen Schule - alle Lehrkräfte, die daran teilnahmen waren viel entspannter trotz mehr Zeit an der Schule! (Arpegator)

Fakt ist, dass es offenbar Diskussionsbedarf gibt. Fakt ist, dass die Schulen sehr unterschiedlich mit den Problemen umgehen. Weiterhin ist Fakt, dass jede Lehrerin, jeder Lehrer auch ganz individuell die jeweilige Aufgabe löst. Viele Schulen zeigen, dass es besser geht. Diese Schulen sind in der jeweiligen Region als "gute Schulen" bekannt. Viele Lehrer zeigen, dass es besser geht. Diese sind in den Schulen als "gute Lehrer" bekannt. Was weiter helfen würde, wäre eine Evaluation. Nicht per Notendurchschnitt. Notendurchschnitte geben in keinster Weise wieder, ob sich Schülerinnen und Schüler an Schulen wohl fühlen. Sondern per Umfrage. Sehr schwierig wäre es nicht, dem Schulsystem eine neue Note zu verpassen. Es fehlt an gutem Willen. Sowohl in den Behörden als auch in den Schulen selbst. Natürlich zeigen Lehrerinnen, die mit Müh und Not und an der nervlichen Belastungsgrenze arbeiten Herrn Schleicher den Stinkefinger.

In diesen Tagen finden Demonstrationen mit insgesamt über einer Million Teilnehmern statt für eine andere Politik. In den Schulen könnte der Anfang gemacht werden. Denn wie Herr Schleicher richtig sagt: "Sie sind die Gesellschaft von morgen."