16. Februar 2022

Ist Dummheit lernbar? - Eine Spurensuche mit Heidi Kastner

Frau Kastner ist eine österrichische Gerichtspsychiaterin, hat schon etliche kriminelle Schwerverbrecher begutachtet und ein Buch über Dummheit geschrieben. In der Süddeutschen Zeitung ist am 18. November 2021 ein lesenswertes Interview (Bezahlschranke) mit ihr zu lesen.

Aber Moment ... was hat denn das mit Schule zu tun? Nun, ich gehe einmal davon aus, dass Frau Kastner durch ihre Berufserfahrung durchaus Erfahrungen mit gesellschaftlichen Phänomenen gesammelt hat. Und offenbar ist dabei Dummheit für sie ein ernst zu nehmendes Thema. Und das sollte es für uns alle auch sein. Denn wenn Dummheit tatsächlich in einem Zusammenhang mit Kriminalität steht, dann bietet dies im weitesten Sinne ein enormes Potential zur gesellschaftlichen Veränderung. Schließlich ist Kriminalität nicht nur so ein bisschen lästig. Die Kosten, die die gesamte Gesellschaft zu tragen hat, sind enorm. Ökonomen schätzen die durch Kriminalität entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten auf vier bis sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) (Tagesspiegel).

Dummheit, so die Aussage von Frau Kastner, und meine ganz persönlichen Beobachtungen bestätigen dies, ist keine Frage der Intelligenz.

Es ist die Tendenz, Fakten zu ignorieren. Und im Sinne des kurzfristigen, unmittelbaren und scheinbaren Vorteils langfristige negative Folgen für sich und andere zu ignorieren. Dumme Menschen verstehen sich nicht als Teil eines Gefüges, für sie kommen immer nur die eigenen Belange an erster Stelle.

Und was, bitteschön, so höre ich meine Leser fragen, soll jetzt in der Schule geschehen? Soll jetzt etwa noch ein Fach Antidummheit eingeführt werden?

Ja, so ähnlich. Aber nur so ungefähr. In der Schule, bzw. in der Zeit, in der heranwachsende Menschen in die Schule gehen, werden oft bereits die Weichen gestellt, in welche Richtung es denn so im Leben weiter geht. In der Schule, so wie sie heute meistens stattindet, wird die frühe Prägung aus dem Elternhaus gefestigt. "Du bist dumm" bleibt "Du bist dumm" und wird entsprechend verstärkt. "Du kannst das" wird ebenfalls gefestigt und verstärkt.

Die Statistiker begehen einen groben Fehler. Es werden aufwändige Studien erstellt, aus denen dann hervorgeht, dass soundsoviel Prozent der verurteilten Kriminaltäter keinen Hauptschulabschluss haben und es wird dann behauptet, dass einfach mehr Hauptschulabschlüsse gemacht werden müssen. Dieser Fehlschluss ist fatal. Denn ein Hauptschulabschluss, der nur unter Druck gemacht wird, löst das Problem nicht. Es ist ein Paradigmenwechsel (also eine Änderung der wissenschaftlichen Grundauffassung) notwendig. Sozialkompetenz, Verantwortung und Selbstvertrauen müssen im Vordergrund der Schulbildung stehen.

Die Karrieren von Kriminellen werden oft in der Art beschrieben: "Ich war ein Versager!" Was wäre nun, wenn wir den heranwachsenden Menschen beibringen: du bist kein Versager? Also weg von: "strenge dich in Deutsch und Mathe an, dann kannst du Karriere machen!" zu: "deine Qualifikation wird gebraucht, egal in welchem Fach". Wenn wir weg kommen von einer angstgetriebenen Schule zu einer Schule der Akzeptanz? Weg von einer Schule der Selektion, hin zu einer Schule der Integration?

Kann es sein, dass durch die alte Schule Dummheit und soziale Unfähigkeit geradezu kultiviert werden? Wie Frau Kastner eindeutig beschreibt, zieht sich das Phänomen ja durch alle Gesellschaftsschichten. Die Faktenleugner sitzen überall. Oft werden sie noch großzügig honoriert. Wäre es nicht geradezu eine Revolution, wenn es uns gelänge eine Gesellschaft zu schaffen, die weniger dumm ist?

Wenn es uns gelänge die Kriminalitätsrate zu halbieren, wären Milliarden gespart, die sich locker in Bildung investieren ließen.