Bildungs- und Schulsysteme

Leicht entsteht unter den Experten ein Streit über das beste Bildungssystem. Ich mache es kurz: diese Streits sind meist sinnlos! Denn in der Regel werden Äpfel mit Birnen verglichen - wie es so schön heißt. Eine asiatische Kultur lässt sich nämlich mitnichten nach Mitteleuropa transferieren. Häufig basieren Vergleiche auf einer sehr schmalen Datenbasis. So ist die weltberühmte Pisastudie ein sehr schmaler Fokus auf das breite Spektrum der Bildung. So ist es relativ einfach die Ergebnisse der Pisastudie zu pimpen, indem ganz speziell Lerninhalte für diese Studienergebnisse auf den Lehrplan gesetzt werden. Ein billiger Trick!

In Waldorfkreisen heißt es "die Waldorfschule ist die beste Schule", der Gymnasiallehrer sagt "das Gymnasium ist die Errungenschaft der Welt schlechthin" und der Sonderpädagoge sagt "Sonderpädagogik ist der Königsweg". Ein Schulleiter in Deutschland braucht eine gehörige Portion Mut und Selbstkritik, um zuzugeben, dass das deutsche Schulei ziemlich faul ist und zum Himmel stinkt. Er steht lieber hin und sagt: letztes Jahr hatten wir einen Abiturschnitt über dem Durchschnitt!

Gerade ist mir diese fulminante Studie der Bildungssysteme in Europa im Vergleich über den Weg gestolpert http://www.schulzbinzweb.de/stadtelternrat-wunstorf/Dokumente/Themen/IGS/Bildungssysteme_Europa.pdf - immerhin 119 Seiten stark, von ausgewiesenen Experten erstellt und von der Bertelsmann Stiftung gefördert. Was fehlt, ist die Erwähnung der Grundlage des jeweiligen Systems. So ist viel entscheidender, wie die Lehrer ausgebildet sind, welche Qualifikation sie auf welchem Wege erreichen müssen und wie die politische Verantwortung der Schulen geregelt ist. So führt der Bildungsweg von finnischen Lehrern über eine klassische Berufsausbildung und die Schulen haben eine hohe Eigenverantwortung und viele Spielräume in der Gestaltung. Ein Schulamt gibt es nicht. Es gibt lediglich das Bildungsministerium, was grobe Rahmenbedingungen vorgibt, die Schulen stehen in gegenseitigem Wettbewerb. Das wäre natürlich in Deutschland undenkbar! Lehrer haben vor allem ein Staatsexamen und jeder Schulleiter hat Angst vor dem Schulamt wenn es darum geht in der eigenen Schule etwas zu verbessern. Es ist daher vollkommen sinnlos nur auf die Frage zu starren, ob es nun Inklusion gibt oder nicht, ob das Schulsystem dreigliedrig ist oder zweigliedrig oder wievielgliedrig auch immer.

Auch die finanzielle Ausstattung der Schule bzw. des Schulträgers sind wichtige Aspekte, wie sich eine Schule aufstellen kann. So gibt beispielsweise Dänemark 2017 7,8% seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Bildung aus, in Deutschland sind es gerad mal magere 4,9%. Wer jetzt in Mathe nicht so gut aufgepasst hat, dem sei hier vorgerechnet: Dänemark gibt seinen Schule 59% mehr Geld als dies in Deutschland der Fall ist. 59%, das ist mehr als die Hälfte mehr. Dabei ist die Investition in Bildung eine der rentabelsten Investitionen, die eine Gesellschaft tun kann. Eine Studie von McKinsey kam zu dem Ergebnis, dass jeder Euro, der in die frühkindliche Bildung investiert wird 12% Rendite bringt. Das DIW kam in einer Nachberechnung auf 13%. Es ist also volkswirtschaftlich ein erstaunlicher Irrtum, dass in Deutschland nicht mehr in Bildung investiert wird und die Politik wäre gut beraten, dies schnellstmöglich zu ändern.

https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2010-01/oecd-bildungsausgaben

Allen, die mit Schule zu tun haben, wären also gut beraten einmal über den Tellerrand zu schauen und selbst zu lernen und abzuwägen. Es wäre schade, wenn dabei am Anfang die Idee stünde, es gäbe das beste Schulsystem. Das gibt es sicher nicht. Es wäre wünschenswert, wenn verschiedenste Schulsysteme zur Verfügung stünden, also auch Eltern die Wahl hätten, ob die Kinder nun eine Ganztagsschule besuchen sollen oder eben auch nicht. Privatschulen sollten nicht nur wohlhabenden Familien die Türen öffnen und wie viele erfolgreichen Länder zeigen: eine Schulpflicht braucht es für ein gutes Bildungssystem auch nicht. In Dänemark, wo es eine solche Schulpflicht nicht gibt, gehen nur 1% der Kinder nicht in die Schule und werden anderweitig unterrichtet.