Sind Schulnoten sinnvoll?

Hier wieder so ein ganz großes Thema, wobei wir schon beim Thema sind. Für einige Lehrer, Schüler und Eltern ist es überhaupt kein Thema sondern eine Selbstverständlichkeit, über die niemals diskutiert werden könnte: Schulnoten. Ja, nicht einmal nachgedacht werden sollte über das Thema Notengebung, denn "das war ja schon immer so" und "sonst weiß man ja gar nicht wo man steht" und "man kann sonst Leistungen ja gar nicht vergleichen". Auch der Lehrer Schmidt hat ein Video abgedreht, in dem er vehement für die Notengebung plädiert.

Wir machen es uns nicht ganz so einfach. Und schauen mal hinter die Kulissen der Schulnoten. In Deutschland reicht die Skala von 1 bis 6. In der Schweiz reicht die Skala von 6 bis 1. Wer eine 1 hat ist gut in Deutschland und schlecht in der Schweiz. Eingeführt haben die Notengebung die Jesuiten im 16. Jahrhundert in ihren strengen Klosterschulen. Damals waren die Noten römisch und gingen von I bis V. 1938 wurde die 6 eingeführt, die sich bis heute gehalten hat.

Aber: was sagt nun eine gute Schulnote wirklich aus? Sicherlich sagt eine Mathe Eins etwas darüber aus, ob ein Schüler Mathe drauf hat. Aber: vielleicht hat er einfach gut aufgepasst und kann gut auswendig lernen. Vielleicht ist ja ein Schüler mit einer Mathe drei viel kreativer im Umgang mit Zahlen und konnte dem Unterrichtsstoff nicht so gut folgen. Oder er heißt Kevin (siehe Chantalismus). Oder der Schüler hat just in der Phase der Prüfungen eine schwere Zeit durchgemacht, war krank oder was auch immer. Vielleicht wurde der einser Schüler einfach besonders gefördert und die Eins müsste ein Sternchen mit Fußnote bekommen. Oder er ist super in Mathe, ist aber in Prüfungen immer so angespannt, dass er nichts zustande bringt. Das heißt vor allem eins: die Aussagekraft von Schulnoten ist eher eingeschränkt.

Nicht eingeschränkt ist die Wirkung der Notengebung auf das allgemeine Wohlbefinden. Nicht umsonst gibt es das Wort Notendruck. Nicht umsonst trauen sich viele Kinder nach der Zeugnisausgabe nicht nachhause. So bekommt die Notengebung auch vor der Frage des psychischen Wohlergehens der Schüler schlecht weg. Das ist Minuspunkt zwei.

Wie wir aus zahlreichen Studien wissen, macht die Persönlichkeit des Lehrers einen großen Anteil daran aus, ob ein Schüler gut lernt oder nicht. So sind Noten eher ein Spiegel für die Qualität des Lehrers. Das wäre der dritte Minuspunkt.

Noten spiegeln in keinster Weise das Potential wieder, was in einem Schüler steckt. Nehmen wir ein Kind mit Migrationshintergrund und einer Muttersprache die nicht deutsch ist. Es kann sein, dass dieses Kind nach zwei Jahren gerade einmal eine 5 in Deutsch hat. Würde es entsprechend gefördert, wäre eine zwei oder eine eins drin.

Neulich sagte ein elfjähriger Junge zu mir "ich finde Schulnoten gut, weil man so besser weiß wo man steht". Das Argument kann ich in keinster Weise nachvollziehen. Wenn man also eine Chemie 1 hat, dann kann man sich in Chemie zurücklehnen? Keinesfalls! Dann geht der Blues doch erst los. Es ist doch sinnlos sich in Form von Noten zu vergleichen. Noten spiegeln ja nur wieder, was ein Schüler im Moment der Prüfung können soll. Aber warum soll er nicht viel mehr können dürfen? Warum muss ein Schüler, der vielleicht erst in ein oder zwei Jahren bei einem anderen Lehrer seine Leidenschaft für Chemie entdeckt eine schlechtere Note bekommen? Es ist doch normal, dass Kinder unterschiedlich sind und im Laufe der Zeit unterschiedlicher werden. Sie werden aber nach gleichen Maßstäben bewertet. Lasst doch mal einen Geschichtslehrer eine Mathe Abschlussarbeit schreiben.

Fakts!

In Finnland gibt es Notengebung erst ab der Klasse 7.

Hausarbeit über Notengebung (2010)
https://www.grin.com/document/489588

4 = 5: Zeugnisnote darf vom rechnerischen Mittel abweichen
Kommentar über ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Braunschweig über Notengebung
https://www.lehrerfreund.de/schule/1s/zeugnisnote-rechnerisches-mittel/3762

So wenig aussagekräftig sind Schulnoten
Ausführlicher Artikel bei Quarks (2020)
https://www.quarks.de/gesellschaft/bildung/so-wenig-aussagekraeftig-sind-schulnoten/