9. Mai 2022

Betreff: Antrag auf Änderung der Schulordnung - ein offener Brief an die Schulleitung

Liebe Schulleiterin,

ich muss Ihnen erneut schreiben. Ich versuche es kurz zu machen.

Ein Schüler aus der 6. Klasse wird getadelt, weil er auf dem Schulgelände ein zuckerhaltiges Getränk konsumiert (so mein Kenntnisstand). Ein Schüler aus der 5. Klasse tut das gleiche. Der Schüler der 6. Klasse wird daraufhin so aggressiv, dass er den Schüler der 5. Klasse körperlich angreift, ihm die Getränkedose wegnimmt und diese zerstört. Außerdem drückt er den Schüler der 5. Klasse so an eine Wand, dass dieser fast keine Luft mehr bekommt. Auch hierfür wird der Schüler der 6. Klasse getadelt. Daraufhin wird in der Klassenleiterstunde der 5. Klassse auf die Schulordnung aufmerksam gemacht. Die Kinder der 5. Klassse wollen wissen, weshalb der Konsum zuckerhaltiger Getränke verboten ist. Daraufhin der Klassenlehrer: "Das sind Regeln die es gibt und darüber will ich nicht diskutieren" (direkt notiert von einem Schüler).

Was läuft da schief?

Ich habe mich mal etwas schlau gemacht, unter anderem auch bei der Deutschen Diabetesgesellschaft. Es wird nirgends empfohlen solche Verbote einzuführen. Warum? Verbote werden das Problem des erhöhten Zuckerkonsums nicht lösen - wie man ja in der Praxis sehen kann. Studien stützen diese Annahme. Schülerinnen und Schüler der KGSDM sind nicht weniger adipositös als Schülerinnen und Schüler an Schulen, an denen solche Verbote nicht bestehen. Regeln müssen sinnvoll und nachprüfbar sein, außerdem müssen sie zur Gerechtigkeit beitragen. Alle drei Kriterien treffen auf das Verbot zuckerhaltiger Getränke nicht zu. Ein Bewusstsein für Ernährung entsteht nicht durch Verbote. Ernährungsgewohnheiten sind maßgeblich gesellschaftlich bedingt. Nachprüfbar ist das Verbot eh nicht. Oder wollen Sie täglich alle Trinkflaschen auf den Zuckergehalt analysieren? Das dürfte rein rechtlich ein sehr tiefer Eingriff in die Privatsphäre der einzelnen Schülerinnen und Schüler sein und damit schwer durchsetzbar sein. Damit ist das Verbot auch ungerecht. Einige Kinder reagieren recht empfindlich auf sinnlose Regeln. Es trifft vor allem Schülerinnen und Schüler, die unter erhöhter Beobachtung stehen, also Schülerinnen und Schüler, die eh benachteiligt sind. Der letzte Punkt in der Klassenleiterstunde bringt dann das Fass zum überlaufen.

Sinnlose Regeln machen jedoch die gesamte Schulordnung löchrig und unglaubhaft. Das gilt allgemein für Regeln, für Erziehungsregeln gilt dies aber ganz besonders. Eine löchrige Schulordnung kann nicht im Sinne von Lehrern, Schülern, Eltern, Schulleitern und allen anderen am Schulgeschehen beteiligten Personen sein.

Die Landesschulordnung ist in ihrer Aussage klar und deutlich. Schülerinnen und Schüler sollen für die Gesellschaft vorbereitet werden, Grundlage ist ein wertschätzender Umgang miteinander und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik und des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass Schülerinnen und Schüler zu autoritätshörigen Mitläufern erzogen werden sollen - das Gegenteil ist der Fall. Schüler haben ein Recht auf Antworten auf ihre Fragen. Demokratie lebt vom ständigen Diskurs. Dafür ist die Klassenleiterstunde da.

Ich habe mit dem Elternrat gesprochen, ich bin im Dialog mit anderen Eltern. Mittlerweile bin ich offenbar zum Elternsprecher geworden. Es geht anderen Eltern ähnlich wie mir. Ich sage es mal auf gut Deutsch: es macht nur keiner das Maul auf.

Angemessen wäre nun ein Tadel für Herrn Dr. B. Wobei ich gegen Tadel bin. Denn es geht ja auch nicht um den einzelnen Vorfall. Es geht ja um die Grundhaltung des Lehrers. Ich bin für Dialog - genau für das, was in der Landesschulordnung steht - für ein konstruktives Miteinander. Herr Dr. B. hat nun bereits mehrfach gezeigt, dass er auf die Meinung von Schülern und Eltern keinen Wert legt. - Womit der Dialog nicht mehr funktioniert. - Das ist schade. Schade für die Schüler, schade für die Eltern, schade für Herrn Dr. B. und für die Schule. - Wie Sie intern mit solchen Vorgängen umgehen, das ist ja ihre Sache und geht mich nichts an.

Ich möchte Sie aber dringend bitten die Schulordnung zu ändern. Der entsprechende Passus verursacht mehr Schaden als Nutzen. Rechtlich dürfte er eh keinen Bestand haben. Der Satz könnte in eine Empfehlung geändert werden. Leider habe ich den Originaltext auf der Internetseite nirgends gefunden. Die Anpassung hätte verschiedene Vorteile:

  • Der eh schon benachteiligte Schüler der 6. Klasse hätte nicht (ungerechterweise!) getadelt werden können.
  • Damit wäre ihm die Frustration erspart geblieben
  • Der Schüler der Klasse 6 hätte den Schüler der 5. Klasse nicht attackiert
  • Die unsinnige Weigerung des Klassenlehrers für eine Diskussion über den Passus nach der Frage aus der Klasse hätte es nicht gegeben

Das war's auch schon.

Antwort ist nicht notwendig.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und sage ein weiteres mal vielen Dank für Ihre Arbeit und Ihre Aufmerksamkeit.

Lieber Gruß,
Wolfgang Bund

Quellen
https://www.dahag.de/c/ebs/oeffentliches-recht/lehrerin-verbietet-kindern-suessigkeiten-zum-fruehstueck-2771
https://www.diabetesde.org/pressemitteilung/keine-zuckerhaltigen-getraenke-mehr-schulen