4. September 2024
Die doppelte Moral der Erwachsenen. Wollen sie Diktatur oder freie Gesellschaft?
Die Ostsee-Zeitung fragt ihre Leserinnen und Leser, ob sie Notengebung in der Grundschule befürworten oder nicht. Man kann voten, ob man die Notengebung ab der Klasse 1, 2, 3 oder 4 befürwortet oder überhaupt nicht. Wer sich mit der Frage einmal fünf Minuten unbefangen befasst hat, kann eigentlich nur eine Antwort geben. Was heißt nun unbefangen befassen? Ich spreche mit vielen Menschen über Schule. Viele Menschen sind der Ansicht, dass sie selbst in der Schule ja auch benotet wurden und überhaupt in Deutschland die meisten Kinder ja schon seit eh und je benotet werden und deswegen müsse das auch so sein. Kurz: es wird nicht darüber nachgedacht.
Ich habe einmal in der Suchmaschine G00gle folgende Worte eingegeben:
Ist Notengebung in der Grundschule sinnvoll?
Daraufhin wurde mir folgender Text angezeigt:
Ziffernnoten sind immer noch die häufigste Form formeller Leistungsbewertung in der Schule. Aber die Forschung zeigt seit langem: Noten sind nicht in der behaupteten Weise für das Lernen nützlich und sie sind erst recht nicht nötig.
"Ja aber ... die müssen doch auch etwas lernen ..." - solche und ähnliche Sätze höre ich oft. Ich höre solche Sätze von gebildeten Menschen. Ich höre solche Sätze von Menschen aus allen politischen Richtungen. Dass "lernen" und "Notengebung" überhaupt gar nichts miteinander zu tun haben, kann jeder Mensch wissen. Die sehr komplexen Fähigkeiten sprechen und laufen lernen die Menschen ohne Lehrer und ohne Notengebung. Und zwar durch intrinsische Motivation und Nachahmung. Das aber nur nebenbei.
Und ja, es gibt auch Kinder, die mit Notengebung lernen. Sie lernen aber nicht wegen der Notengebung sondern trotz der Notengebung. Alles Wissen, was nur für gute Noten erworben wird, hat einen untergeordneten Wert. Aber das nur nebenbei. Der Fokus eines Bildungssystems darf sich ja nicht darauf richten, dass es auch funktioniert wenn es schlecht ist. Der Fokus muss sich auf die optimale Entwicklung aller Kinder richten. Und zwar auch auf diejenigen, die schwerer lernen und auf diejenigen, die leichter lernen. Das funktioniert im deutschen Bildungssystem schlecht, genauer gesagt ungenügend, in Zensuren ausgedrückt wäre das die Ziffer sechs.
Aber zum Henker nochmal, was hat das jetzt mit der politischen Richtung der Gesellschaft zu tun? Also auch diese Antwort ist trivialer, als manch einer denkt. Herbert Renz-Polster hat das in einem Buchtitel schlicht ausgedrückt: Erziehung prägt Gesinnung.
Derzeit schlagen die Wellen wegen der Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hoch. Die nüchternen Beschwichtiger sind der Ansicht, dass es ja "nur" 30% Wählerinnen wären, die eine demokratiegefährdende Partei wählen würden. Was so nicht stimmt. Auch Königin Sahra tendiert zur Autokratie, deren Wählerinnen wünschen sich auch eine starke Führungspersönlichkeit. Und nein, die Ausrede, dass es sich nur um Protestwählerinnen handelt gilt nicht.
Der Schulalltag unserer Kinder sieht nicht besser aus. Mitspracherecht an der Schule? Gibt es nicht. Es werden ständig neue und bekloppte Regeln und Verbote erlassen, die einzig und allein der Bequemlichkeit der Lehrpersonen dienen. Anstatt den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Geräten beizubringen und zu ermöglichen, sollen nun Händigaragen installiert werden. Es ist genauestens festgelegt, wie ein in der Schule genutzter Tabletcomputer abgelegt werden muss. Und dann wundern wir uns, dass diese Kinder extremistische Parteien wählen?
Und jetzt zur oben genannten Umfrage:
Heute, am 4. September sieht das Ergebnis folgendermaßen aus:
Ab welcher Klasse sollten Grundschüler in MV Noten bekommen?
Ab der ersten Klasse: 46,2%
Ab der zweiten Klasse: 22,2%
Ab der dritten Klasse: 11,9%
Ab der vierten Klasse: 4,0%
Es sollte in der Grundschule gar keine Noten geben: 15,7%
Ganze 15,7% der an der Umfrage Teilnehmenden entscheidet sich für optimale Bildung und Selbstverantwortung.
Wir müssen uns also nicht wundern, wenn in Sachsen und Thüringen extrem gewählt wird. Im Gegenteil: wir werden uns darauf einstellen müssen.
Es ist erstaunlich, dass doch sehr wenige Menschen sich die Mühe machen für so wichtige Entscheidungen etwas Zeit aufzuwenden und den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse anschauen. Nur wenn wir besser werden wollen, werden wir auch besser.
Schule geht besser.