8. November 2021
Corona und Schulvermeidung
In einer Lehrerumfrage hat die Robert-Bosch-Stiftung und die Zeit versucht herauszubekommen, was Corona mit den Schulen macht. Die Umfrage ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Zum einen ist interessant, was die Zeit und die Robert-Bosch-Stiftung und die beauftragten Experten für Fragen haben, wo also der Fokus liegt bei der Umfrage. Aber auch die Ergebnisse können sich sehen lassen. Lesen könnt ihr selber ...
Ein Interview mit den zwei ausgewiesenen Experten für Schulvermeidung Johannes Hebebrand und Martin Knollmann ergänzt diese Umfrage:
Auch hier: das Interview ist interessant und lesenswert. Aber viel interessanter ist, wie hier mit dem Thema Schulvermeidung umgegangen wird. Das Interview zeigt vor allem die Hilflosigkeit des Systems. Und dann wird an den Schülern herumgedoktert. Mit Psychologen und mit Hilfsprogrammen.
Es steht zweifelsohne fest: jeder Schulvermeider ist ein Schulvermeider zu viel! Zumal viele Schulvermeider nicht aus den sozialen Oberschichten kommen, in denen eine gewisse Pausenzeit von der Schule auch wieder kompensiert werden kann. Es ist aber ein fataler Irrtum die Ursache ausschließlich bei den absenten Schülern zu suchen. Wie wäre es, wenn die Schule ein Lern- und Lebensraum wäre, in dem jeder, also wirklich jeder auch willkommen wäre und sich aufgehoben und aufgenommen fühlt? Möglicherweise ist ja ein Kind, das in prekären sozialen Verhältnissen lebt einfach nicht so nervenstark, dass es dem permanenten Erfolgs- und Notendruck standhält, der an den meisten Schulen vehement gelebt wird? Vielleicht hat ein Kind einfach keine Kraft das permanente subtile Mobbing von Lehrern und Mitschülern zu ertragen?
Es ist doch eine absolute Chance für das Schulsystem sich selbst zu hinterfragen und zu verbessern. Ich hole mal wieder das blöde Beispiel Finnland hervor. Dort gibt es extra Schulpädagogen, die jedem Kind jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Sie beobachten jedes Kind. Kein Kind soll verloren gehen.
In Deutschland sollte diese Haltung selbstverständlich sein. Wir brauchen jedes Kind. Jedes Kind, was als Schulvermeider droht verloren zu gehen, ist eines zu viel.
Die Frage, weshalb nach Corona die Schulvermeidung zugenommen hat ist daher auch anders zu erklären. Die Kinder haben während der Schulschließung gemerkt: die Welt geht nicht unter, wenn sie nicht in die Schule gehen. Und sie haben gemerkt: die Zeit lässt sich auch auf andere Weise verbringen als mit einem Aufenthalt in der Schule, während dem sie sich wie Gefangene fühlen. Nur: an einer solchen Sichtweise haben die Umfrageersteller natürlich kein Interesse. Auch die Interviewpartner beziehen ihre Gehälter für die Rettung - nicht für die Vermeidung.