6. Juni 2024

Schulkuriositäten - Administration und Entschuldigung

Der Klassenlehrer schreibt mir folgende E-Mail:

Hallo Herr Bund,

wenn Sie S. und J. einen Tag vorher schon eine Entschuldigung mitgeben, dann kann ich das vorher im digitalen Klassenbuch schon festhalten und dann sind die Fachlehrer auch informiert. Die Jungs müssen dann nach dem Arztbesuch keine weitere Entschuldigung mitbringen.

Mfg Klassenlehrer R.

Was war geschehen? Das Kind hatte einen Termin beim Kieferorthopäden und ich hatte einen Tag vorher eine E-Mail an das Sekretariat geschrieben, dass das Kind später in den Unterricht kommt. Als das Kind dann in den Lateinunterricht kam, wurde es von der Lehrerin angemault. Ich habe daraufhin freundlich beim Sekretariat nachgefragt, ob ich bei der Abmeldung etwas falsch gemacht habe. Das Sekretariat hat mich dann angerufen und mich gebeten die E-Mail nochmal zu schicken. In einem weiteren Telefonat meinte die Sekretärin dann, dass möglicherweise intern die Systeme nicht abgeglichen worden wären. Es gibt in dieser Schule ein wohl ausgeklügeltes System von Entschuldigungen und deren Abläufe. So gibt es beispielsweise das sogenannte Mutti-Heft (wir sind in Ostdeutschland). Ich nenne es auch Stasi-Heft. Es soll zur lückenlosen Überwachung aller Abwesenheiten dienen. Das Ergebnis war dann, dass im Halbjahreszeugnis alle Fehltage als unentschuldigt aufgeführt wurden. Also das System ist so ausgeklügelt, dass selbst die Lehrerinnen und Lehrer und das Sekretariat nicht durchblicken oder es beherrschen.

Ich bin für freundlichen Umgang miteinander. Deswegen sage ich der Sekretärin auch: es ist kein Problem - Schulorganisation ist ja auch komplex und manchmal geht was schief.

Der Klassenlehrer ist noch schlauer: Problem einfach abwälzen. Er hat zumindest den wichtigsten Lehrerskill verinnerlicht: auf keinen Fall einen Fehler oder Irrtum zugeben. Auf keinen Fall selbst etwas zur Lösung eines Problems beitragen. Was zu tun ist, wenn das Kind in der Nacht krank wird? Dann setze ich mich in das Zeitreiseraumschiff, fliege einen Tag zurück und lasse dem Lehrer die Entschuldigung zukommen?

Ich habe einen besseren Vorschlag. Alle Lehrerinnen und Lehrer lernen wertschätzenden Umgang mit den Schülerinnen und Schülern. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler zu spät kommt, ist die Lehrerin oder der Lehrer einfach vorbildhaft und sagt "Guten Morgen". Dann kann immer noch nach der Stunde geklärt werden, weshalb das Kind zu spät gekommen ist. Es ist für mich ein typisches Zeichen von Adultismus, dass zuerst dem Kind die Schuld für ein Vergehen gegeben wird. Dann den Eltern.

Bitter für mich ist an der eigenen Haut zu erleben, dass genau dieses Verhalten von Lehrern und Schule zu gesellschaftlichen Verwerfungen führt, die kaum zu reparieren sind.