13. September 2023
OZ: Bildungsministerium informiert - Tragödie in Greifswald: Humboldt-Gymnasium trauert um zwei Schüler
Eine solche Überschrift, eine solche Nachricht, wie sie heute in der Ostsee-Zeitung [€] veröffentlicht wurde, macht zunächst sehr betroffen.
Im zweiten Moment macht sie aber vor allem verzweifelt und wütend.
Nun. Natürlich werden keine Details genannt. Das ist auch nicht notwendig. Fakt ist aber: die Schule versagt total. Es war offenbar keine (!) Vertrauensperson im Umfeld der Schüler, denen sie sich anvertrauen konnten, denen sie ihre Verzweiflung schildern konnten, denen sie sich öffnen konnten ... bevor es zu spät war. Was ist das für ein Staat, der seine jungen Bürger so alleine lässt? Dieser Staat zwingt per Gesetzen und harten Konsequenzen die jungen Menschen in Schulen, die sie nicht hoffnungsvoll und stark machen, sondern verzweifelt und hilflos. Das ist verantwortungslos. Das ist gefährlich.
Denn: in solchen Nachrichten sehen wir die Spitze des Eisbergs. Wieviel 100.000 Schülerinnen und Schüler sind noch verzweifelt? Wieviele sind noch hilflos? Dabei wird die Tragik, das wahre Ausmaß nicht nur nicht erkannt. Es wird so getan, als wäre das alles schon in Ordnung.
Schüler und Lehrer sollen nun psychologisch betreut werden. Ein Notfallteam ist im Einsatz.
Na, dann ist ja alles gut. Wenn jetzt ein Notfallteam im Einsatz ist und psychologische Betreuung geleistet wird, dann kann ja nichts mehr schief gehen.
Hallo! Hallo liebe Verantwortliche! Bitte wacht auf! Bitte wacht schnell auf! Dies gilt auch für Eltern und Elternräte. Schulen dürfen einfach nicht länger Orte sein, an denen Kinder gequält, gedemütigt, gestresst, bedroht, ihre Bedürfnisse und Rechte konsequent missachtet werden. Und das geschieht tatsächlich. Täglich. Zigtausendfach. Und nein, ich will jetzt nicht hören, wie gut doch die deutschen Schulen sind. Sie sind es nämlich nicht. Das ist alles nur Augenwischerei was ihr da betreibt. Selbstschutz. Ihr wollt es nicht sehen, was offensichtlich ist. Das meiste, was wir an Schule haben, ist bestenfalls ungenügend, die Tendenz geht aber zu mangelhaft und noch schlechter.
Ich will damit keinesfalls persönliche Kritik an den Menschen üben, die sich täglich in diesem System bemühen. Natürlich sehen sie die Mängel nicht. Sie können sie nicht sehen. Ich spreche euch jetzt mal direkt an: ihr seid geprägt, schon durch eure Berufswahl, die Ausbildung, euren anstrengenden Alltag zwischen Bürokratie, irren Gesetzen und den täglichen Notwendigkeiten, eurem Eid auf den Staat. Und: kein Mensch ist perfekt. Jeder macht Fehler und jeder darf Fehler machen. Wir sind natürlich einerseits sehr dankbar, dass ihr euch in diesem Beruf aufreibt. Es würde aber auch helfen, wenn ihr das gesamte Schulsystem so wie es heute ist auch etwas differenziert sehen könntet, wenn ihr mal ein paar Schritte von dem ewig "... aber das muss doch gelernt werden ..." zurück tretet und neue und andere Erkenntnisse in euer Weltbild einfließen lassen könntet. Ja ich weiß, viele von euch sehen durchaus Mängel im System. Nur: wenn ihr den ganzen Wahnsinn erkennen könntet, könntet ihr dort nicht mehr arbeiten. Wir brauchen also noch viel viel mehr Menschen an den Schulen, die auch in die Zukunft schauen können die es noch nicht gibt.
Dann wäre Schule besser.
Nachtrag
Die Ostsee-Zeitung greift den Fall unter der Überschrift Die wichtigsten Fragen und Antworten nochmal auf. Wir können an den Fragen und Antworten wieder einmal sehen, welch "gute" Arbeit die Pressestelle von Frau Oldenburg leistet. So ist dort z.B. zu lesen, dass "durch das staatliche Schulamt in Greifswald in den vergangenen fünf Schuljahren kein Suizidfall gemeldet" wurde. Man muss sich einmal mehr auf die Zunge beissen bei solch beschwichtigenden Worten. Denn schauen wir doch mal wirklich in die Statistik. Um Coronaeffekte auszuschließen, schauen wir mal ins Jahr 2019.
Jährlich sterben in Deutschland über 500 junge Menschen durch Suizid. In der Altersgruppe von 10 bis 25 Jahren ist das die häufigste Todesursache, noch vor Verkehrsunfällen.
Berichtet Frontal am 29.10.2019. Das sind eindeutig 500 junge Menschen zu viel. Und zwar ohne wenn und aber. Mecklenburg Vorpommern stellt in Deutschland gerade einmal 1,6 von 83,2 Mio. Einwohnern. Das sind weniger als 2% der gesamten Bevölkerung. Rechnerisch entfallen dann immer noch zehn Suizidfälle von Jugendlichen auf das Regierungsgebiet von Frau Oldenburg. Die Aussage von Frau Oldenburg könnte vermuten lassen, dass Mecklenburg Vorpommern kein Suizidproblem unter Jugendlichen hat - und das ist schlicht weg falsch und jede Beschwichtigung ist vollkommen fehl am Platz und unwürdig gegenüber den Opfern.