14. September 2023
Wir leben in einer anderen Welt ...
Wir hatten heute ein sehr schönes Grillfest an der Schule. Die Schüler hatten Wandertag und haben danach alles fürs Fest aufgebaut. Der Lehrer hat den Grill organisiert, Eltern haben Salate, Kuchen und Getränke gebracht. Es gab keine Rede. Es war alles wirklich sehr sehr ansprechend, harmonisch und wunderbar. Der Hund des Lehrers hat neben dem Grill gechillt. Das Kind stand am Grill. Wir hatten sehr schöne Begegnungen mit anderen Eltern.
Wenn da nicht ...
Wir waren etwas früher da. Der Lehrer schien aufgeschlossen für ein Gespräch. Und merkte an, dass unsere Jungs doch recht auffällig und wenig zurückhaltend wären. Ich muss dazu sagen, dass er das nicht vorwurfsvoll gesagt hat, aber doch mit dem deutlichen Unterton, dass das Verhalten nicht so recht passend wäre. Ich stotterte herum und sagte, dass der größte Bewegungsdrang bei Jungs ja bei etwa zehn Jahren wäre und dass das schon werden wird. Dass das GHG, was sie nun erleben ein anderes GHG ist, als das was sie bereits fast zwei Jahre besucht haben. Sie sind nicht bösartig. Hörte ich mich sagen. Ja. Meinte der Lehrer. Er lobte insgesamt die Klasse als lernfreudig. Aber die Unruhe in der Klasse. Und die Kinder müssten immer das letzte Wort haben. ... Ich erzählte ihm, dass wir in der vergangenen Schule Hilfe beim schulpsychologischen Dienst geholt haben und dass dann entschieden wurde, dass das Kind auch im Unterricht mit seinem Zauberwürfel spielen durfte. Dann wurde es besser. Dass es Kinder gibt, bei denen im Kopf ein Feuerwerk wäre und dass diese Köpfe ja auch irgendwie beschäftigt sein wollen. Ich sagte ihm, dass uns Noten egal wären. So redeten, plänkelten wir mehr oder weniger aneinander vorbei.
Ich hatte eine Google Tabelle vorbereitet. Schon vor den Ferien hatte ich das gemacht. In der Hoffnung, dass sich die Eltern schnell vernetzen könnten, sollten sich die mir bekannten Eltern schonmal dort eintragen und dann den Link an ihnen bekannte Eltern weiter schicken. Nach keinem Hop war aber die Kette schon zu Ende. Letztens hatten wir Elternabend. Da wurde auch eine Elternratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin gewählt. Über diese Personen wollte ich mein Vorhaben nun fortsetzen. In der Grundschule hat sich so eine Liste sehr bewährt. Zur Coronazeit hat dann sogar die Schule notgedrungen und nicht durch das Schulamt autorisiert davon Gebrauch gemacht. Ich finde, dass sowas auch im Zeitalter von überbordenden Whatsappgruppen eigentlich Standard sein sollte. Trotz Datenschutz - oder gerade wegen Datenschutz. Also habe ich Zettel mit QR-Codes zu dem Googledoc vorbereitet. Viele Eltern verfügen nur über ein Mobiltelefon als Endgerät. Ich sprach dann die frisch gewählte Elternratsvorsitzende auf den Plan an. Oooh, da sei sie komplett überfordert. Sie habe davon keine Ahnung. Darüber müsse sie erst nachdenken. Das muss man ihr zugestehen. Sie ist ja nicht für Kommunikation und Klassenstrategie Elternratsvorsitzende, sondern zur Unterstützung bei Schulfesten und Veranstaltungen. - Und ja, den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen: ich hätte mich ja wählen lassen können. - Kurz darauf hat sie ihren Freundinnen von dem Plan erzählt und rief mich hinzu, dass ich den Plan genauer erklären könnte. Da war schon eine Mutter dabei ihre Adresse mit dem Telefon in das Doc einzutragen. Ich habe dann noch neun weitere QR Codes verteilt. Davon haben sich mittlerweile immerhin drei weitere Eltern eingetragen. Fast ein Drittel der Klasse haben wir nun schon.
Ob es denn keine Whatsappgruppe geben würde - wollte eine Mutter wissen. Mehrere andere hatten schon ihren Greuel gegen Whatsappgruppen geäußert. Ich bin kein Experte für Whatsappgruppen. Denn ich nutze Whatsapp nicht. Die meisten nutzen aber Whatsapp. Das ist so ein unterschwelliges oder laut geäußertes Argument derer, die gerne Whatsappgruppen haben. Whatsappgruppen haben aber einen ganz erheblichen Nachteil - abgesehen vom Datenschutz. Sie erlauben keine wirklich gezielte Kommunikation. Das schafft eine ganz banale Adressenliste viel besser. Nein, ich habe nichts gegen Whatsappgruppen - das sage ich dann. Aber ich werde nicht an einer Whatsappgruppe teilnehmen. Für mich ist interessant, dass eine ganz triviale Adressenliste heute schon als Hexenwerk, suspekt oder als Teufelzeug gilt.
Ich versuchte mit anderen Eltern ins Gespräch zu kommen, inwieweit es wirklich sinnvoll ist den Tablettcomputer aus dem Unterricht möglichst raus zu halten. "Ja, die sollen mit Papier arbeiten!" - Das war der einhellige Tenor. Da halfen nicht einmal einfache Argumente wie die Entschlackung der Schulranzen von unnützen Schulbüchern. "Die müssen lernen Ordnung zu halten!" - Das waren so Argumente. Und "handschriftlich ..." war öfters zu hören. Das Argument, dass der Handwerker doch auch nur mit dem besten Werkzeug arbeitet, dass nur mit guten Werkzeugen auch gute Arbeit geleistet werden kann - das zählte alles nicht. Zettelwirtschaft über alles! Offenbar leben wir in einer anderen Welt.
Seid ihr mit der Schule zufrieden? Wurden wir von anderen Eltern gefragt. Ich konnte mit einem klaren Nein antworten. Unsere Kinder sind es nicht gewohnt Anweisungen zu bekommen. Darauf sind sie nicht konditioniert. Das ist keine Nachlässigkeit unsererseits. Das ist ganz bewusst so gewollt und es bewährt sich ... - sofern die Umgebung nicht genau dieses erwartet. Aber warum sollten sie auch autoritären Prinzipien folgen? Das eine Kind stand beispielsweise fast zwei Stunden nonstop am Grill. Freiwillig. Nein, wir haben keine perfekten Kinder und wir wollen keine perfekten Kinder. Es gibt keine perfekten Kinder und die Welt braucht keine perfekten Kinder. Und es wäre sehr unsinnig, wenn die nun sozial, lebendig, interessiert, wach, aufmerksam geprägten Kinder jetzt umgeprägt werden sollten. Wir werden dabei nicht mitmachen. Ich wünsche mir sehr, dass der Lehrer dies bald verstehen, akzeptieren und schätzen wird. Das wünsche ich mir. Es ist eine Chance für ihn. Es ist eine Chance für die Klasse. Ja, ich gebe zu, im Moment sind die Kinder auffällig. Vielleicht kommt es ein Stück weit auch daher, dass sie die letzten zwei Schuljahre von den meisten Lehrern gemobbt wurden. Dass sie nun endlich einen Raum vorfinden, wo sie auch aus sich raus gehen können. Liebe Lehrer: ich entschuldige mich dafür, dass ihr nun möglicherweise ein Problem habt. Lasst uns bitte gemeinsam einen gangbaren Weg finden das Problem zu lösen. An uns soll es garantiert nicht scheitern, so lange es im Sinne der Kinder ist. Ja, ich bin in den letzten zwei Jahren auch zum Extremist in dieser Frage geworden. Ich habe faule Kompromisse zu Lasten der Kinder einfach satt. Davon müssen wir eh genug machen.
Zum Abschied fragte ich den Lehrer noch, ob er damit einverstanden wäre, dass wir die E-Mail Adressen, an die er die letzte Rundmail geschickt hat im Auftrag des Elternrates verwenden dürfen, um die Adressenliste zu komplettieren. Ja, er hat die E-Mail Adressen alle brav mitgeschickt. - Da müsse er erst bei der Schulleitung nachfragen. Ich habe verstanden.