15. Februar 2024
Statistik über Schulabbrecher in der EU
Das RND berichtet über schon länger vorliegende Statistikdaten von Eurostat über die Schulabbrecherquote in der EU. Sofort treten kompetente Politikerinnen wie Frau Wagenknecht oder Frau Stark-Watzinger auf den Plan, um sehr publikumswirksam zu erklären, woher die ganze Misere kommt und dass es jetzt auf jeden Fall ein neues Programm braucht, um die Schulabbrecherquote zu senken. Die Betonung ist hier auf "publikumswirksam". Denn das Publikum tritt dann auch auf den Plan und weiß sofort, was zu tun ist.
Georg Schütt schreibt in einem Kommentar unter einem Artikel aus der Zeit:
Ich bin seit bald 30 Jahren Lehrer.
Es hat so gut wie nichts mit Flüchtlingen zu tun.
Denn auch unsere deutschen Schüler lesen und schreiben immer schlechter, können nicht mehr kopfrechnen und sich kaum zwei Verse auswendig merken.
Es hat etwas damit zu tun, dass kaum noch gelesen wird, vor allem keine anspruchsvollen Texte; dass kaum noch geschrieben wird, sondern nur noch Lücken ausgefüllt oder Ein-Satz-Antworten gegeben werden müssen. Die Kinder haben schlicht komplexes Denken in Strukturen verlernt.
Das kleine Einmaleins müssen sie nicht mehr können, beherrschen, aus dem Effeff, sondern sie müssen es nur noch kennen.
Europas Hauptstädte oder Jahreszahlen müssen sie nicht mehr lernen: Man kann ja alles nachschlagen!
Spielen Sie mal mit Schülern in der 9 oder 10 "Stadt - Land - Fluss"! Flüsse kennt kaum einer, bei Städten sieht es auch trübe aus. Marken und VIPs ist das Einzige, das geht.
Wir haben seit Jahrzehnten immer weniger verlangt und wundern uns jetzt, dass sie immer weniger können.
Nun. Warum haben die Kinder nur nochmal komplexes Denken in Strukturen verlernt? Genau: es wurde ihnen ausgetrieben. Ausgetrieben in deutschen Schulen, in denen vor allem Bulemielernen mit Lehrkräften stattfindet, die vom Schulsystem demotiviert sind. Es ist gar nicht das Ziel von deutschen Schulen, dass Kinder lernen in Strukturen zu denken. Sie sollen gefälligst Hauptstädte, Flüsse und Jahreszahlen auswendig lernen. Dass besonders Kinder am unteren Rand der Leistungsskala da abschalten, ist ihnen nicht zu verdenken.
Der mdr lässt in seinem Beitrag wenigstens Bildungsexperten zu Wort kommen.
Wie so oft: das Thema ist etwas komplexer, als es reine statistische Zahlen und eine unreflektierte Schlussfolgerung von Politikerinnen, Lehrerinnen und Stammtischen glauben machen will.
Man könnte ja auch mal die Frage stellen: warum nochmal ist so ein Schulabschluss so wichtig? Es gibt ja doch recht viele Menschen, die auch ohne Schulabschluss ein glückliches Leben führen.
Ich stelle hier mal eine kühne Theorie auf. Würden in einer, ich nenne sie mal Schule des Lebens, Fächer wie Herausforderung, Selbstwirksamkeit, Verantwortung, Wertschätzung, der Hauptbestandteil des Lehrplans ausmachen, gäbe es in dieser Schule keine Schulabbrecher. Denn es gäbe kein Versagen, keine Angst, keine Demütigung. Die Schülerinnen würden begleitet auf ihrem Weg und jeder würde den Abschluss bekommen. Nennen wir ihn Lebensbefähigung. Vielleicht müssen ja gar nicht alle Menschen alle Hauptstädte und alle Flussnamen und alle Jahreszahlen auswendig können. Die Schüler, die diese Schule durchlaufen haben, würden aber garantiert Teilnehmer der freiheitlich demokratischen Gesellschaft werden. Sie wären immun gegen Verschwörungstheorien und Extremismus. Nur höre ich schon wieder die Frau Stark-Watzingers und Frau Wagenknechts und die anderen Stammtischschwätzer, die sagen: das geht nicht.
rataplan schreibt:
Keine Assustenzärztin, kein Assistenzarzt der Unikliniken/Maximalversorger, in denen ich arbeite, kann Dreisatz, korrekte Grammatik und Orthografie. Not. A. Single. One.
Ich gehe noch weiter. Die wenigsten Mathelehrer sind in der Lage halbwegs korrektes Deutsch zu schreiben. Die wenigsten Deutschlehrer sind in der Lage Matheaufgaben der Mittelstufe zu lösen. Und weshalb ist das so? Es wird nicht gebraucht. Dasjenige, was sie selbst in der Schule einmal gelernt haben, gerät in Vergessenheit, weil es ungenutzt verkümmert.
Und das ist doch interessant, oder zumindest eine Bemerkung wert. Das meiste, was an deutschen Schulen gelehrt und teilweise gelernt wird, ist unnütz. Wir dürfen eine "was-wäre-wenn"-Frage stellen: was wäre, wenn ausschließlich nützliches Zeug an Schulen gelehrt und gelernt würde?
amie schreibt unter den obigen Artikel in der Zeit:
Unser Schulsystem ist aus dem Kaiserreich.
Die Grundschulen Vorbereitungskurse fürs Gymnasium.
Wir müssen die Kinder auf die Welt vorbereiten nicht auf die Uni.
Und bekommt dafür fast keine Resonanz. Das lässt tief blicken - in die Abgründe der Gesellschaft.
Schade eigentlich. Wirkliche Experten wissen: das System könnte von Systemsprengern und Verweigerern lernen. Schule könnte besser werden.