3. März 2022

Brauchen wir in der Schule mehr Porno?

Zugegeben, die Überschrift bzw. die Frage ist vielleicht etwas provokativ, etwas vulgär, etwas reisserisch. Aber mir stellt sich die Frage durchaus. Und darüber will ich schreiben.

Psychologen beobachten, dass der Pornokonsum unter Kindern und Jugendlichen Schäden bis schwere Schäden verursacht. Kinder, die teilweise vor der Pubertät und in der Pubertät Pornos konsumieren, haben teilweise große Schwierigkeiten ihre natürliche Sexualität zu entdecken, zu erleben, zu erkunden und sich daran zu erfreuen. Durch den Konsum von Pornographie wird eine komplett mechanische und unnatürliche Erwartungshaltung erzeugt, die es in der Realität nicht gibt. Wir müssen dazu gar nicht sehr weit ausholen, welchen Einfluss das größte Sexualorgan des Menschen dabei hat, wie es konditioniert wird und welche Folgen es hat. Doch was lernen wir daraus für die Schule?

Habt ihr einmal Kinder beobachtet? Also ich meine so ganz und gar. Wann und wie entwickelt das Kind Freude? Das ist die zentrale Frage. Wann fangen die Augen des Kindes und das ganze Kind so richtig an vor Freude zu leuchten? Beobachtet das bitte mal sehr genau. Das Kind hat die größte Freude, wenn es aus eigenem Antrieb eine neue Fähigkeit erlernt hat. Es freut sich wahnsinnig, wenn es laufen lernt. Oder wenn es den ersten Purzelbaum macht. Wenn es sich selbst schreiben beibringt. Es kommt und sagt voller Freude: "Schau mal, ich habe etwas geschrieben!". Der gemeine Erwachsene ist dann geneigt zu sagen: "Das ist nicht geschrieben, das ist Krickelkrackel!". Die erste Fahrt mit dem Fahrrad ist auch ein Erlebnis, was das Kind tagelang mit Glück erfüllt. Es will nur noch Fahrrad fahren und diese Freude spüren. Wenn der Erwachsene das Kind dabei lehrt, ist die Freude nur halb so groß. Diese Freude ist es, die auch die sogenannten Wunderkinder ausmacht. Die Kinder entdecken dann die Freude an sich selbst etwas immer bessser zu können. Davon wollen sie mehr - es wird zur Sucht. Dieser ganz natürliche Mechanismus wird zuverlässig verhindert, wenn wir versuchen das Kind zu lehren. "So! Wir lernen jetzt Fahrrad fahren!" - oder "So! Wir lernen jetzt schwimmen! Ist doch ganz einfach! Ich mache euch das jetzt mal vor ...!" sagt der aufgestellte Vater - und schon ist es vorbei mit der Freude. Fahrrad fahren wird zum Zwang. Fahrrad fahren oder schwimmen wird immer mit diesem Zwang assoziiert sein. Wir zerstören quasi die natürlichen intrinsischen Lernsynapsen und ersetzen sie durch unangenehme Erinnerungen. Das geht auch super mit Mathe, Deutschgrammatik oder Englischvokabeln. Es funktioniert so zuverlässig wie eine schweizer Präzissionsuhr. Denn der Mechanismus ist im Menschen fest eingebaut.

Lernen funktioniert trotzdem. Bekannt ist das Phänomen etwa durch Äußerungen wie: ich mag zwar kein Mathe aber ich lerne jetzt mal für die Prüfung. Der Aufwand für diese Art des Lernens liegt nach meiner Schätzung mindestens beim Faktor zehn. Das will so viel heißen, dass man für so ein erzwungenes Lernen etwa zehn Stunden schuften muss, was man in einer Stunde Lernen aus Begeisterung locker schaffen würde. Ich habe mir zwar vorgenommen mich nicht mehr so viel auf Hattie zu berufen. Die Effektstärke von 0,88 für das Überspringen einer Klasse ist jedoch ein starkes Indiz für meine These. Denn der Stoff der übersprungenen Klasse muss ja aufgeholt werden. Das funktioniert nur mit Begeisterung und einer hohen Lerneffizienz.

Durch Pornokonsum lässt sich zuverlässig die intrinsische Motivation zur Entdeckung der Sexualität zerstören. Durch fremderzwungenen Stoffkonsum lässt sich ebenso zuverlässig jede intrinsische Motivation zerstören sich selbst ein Themengebiet zu erschließen.

Das lässt nur einen Schluss zu: wir müssen aufhören Kinder zwanghaft belehren zu wollen. Das bestätigt die Beobachtung in Schulen, die nach Dalton, Montessori, Sudbury oder anderen kindorientierten Lernumgebungen arbeiten.

Oder, wie Konfuzius sagte:

Was du mir sagst, das vergesse ich.
Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich.
Was du mich tun lässt; das verstehe ich.