25. Januar 2022

Ist der Lehrermangel an Deutschen Schulen vielleicht doch Hausgemacht?

Es fehlen Lehrer im ganzen Land. Im ganzen Land fallen Lehrer wegen Burnout oder anderer Überlastungssymptome aus. Teilweise dauerkranke Kräfte können nicht besetzt werden, zum einen weil Fachrkäfte fehlen, zum anderen weil die Stellen ja noch mit dauerkranken Lehrern besetzt sind.

Paul Munzinger greift das Thema in der Süddeutschen Zeitung auf (https://www.sueddeutsche.de/politik/lehrermangel-schulen-klemm-1.5514671). Der Titel lautet "Den Schulen könnten bald noch viel mehr Lehrer fehlen als bislang befürchtet". Der Artikel beschreibt sehr klar das systemische und systematische Versagen in der Bedarfsplanung für Lehrer.

Was bedenklich ist: der Lehrermangel betrifft nicht nur die Schulen und die Kinder. Der Lehrermangel betrifft auch alle Menschen ohne Kinder. Denn schlecht unterrichtete Kinder werden der Gesellschaft auch weniger hilfreich sein. Das Thema wird immer so behandelt, als würde es sich um irgendwas abstraktes, irgendein Spiel, etwas vollkommen ireales handeln, was niemanden etwas angeht. Es wird gejammert, wenn beim eigenen Kind der Unterricht ausfällt, wenn der Mathelehrer zum drittenmal innerhalb eines Jahres wechselt oder Lehrkräfte am Start sind, die besser nicht in Klassenzimmern stehen sollten.

In Wirklichkeit ist es ganz anders: das Schulsystem ist so verrottet wie ein alter zerfressener Baumstumpf. Die Hauptmotivation, den Lehrerberuf zu ergreifen ist, dass der Beruf "gut mit der Familie vereinbar" (räusper ...) ist. Ob dies tatsächlich eine brauchbare Motivation ist den Lehrerberuf zu ergreifen? Ich wage das mal anzuzweifeln. Schließlich geht es in der Schule von morgen nicht nur darum Arbeitsblätter zu verteilen, Lehrbücher durchzuarbeiten und Arbeiten zu schreiben. Es geht darum, junge Menschen zu prägen und zu bilden. Lernen können sie selber. Es geht darum, den jungen Menschen Lernräume zur Verfügung zu stellen und Ansprechpartner zu sein. Und es wird darum gehen, das alte Burnoutsystem für Schüler und Lehrer umzuackern, abzuschaffen und neu aufzubauen.

Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hat den Lehrermangel mal untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2025 an den Schulen 45.000 Lehrer fehlen. 2030 sollen nach seinen Berechnungen 81.000 bis 156.000 Lehrer fehlen. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es im Schuljahr 2020/21 790.608 Lehrer. Es würden also dann bis zu fast 20% ausgebildeter Lehrer fehlen.

Was bei der ganzen Debatte übersehen wird: diese Krise ist eine Chance. Wisst ihr, dass es Schulen gibt, die sich vor Bewerbungen nicht retten können? Wisst ihr, dass es Schulkonzepte gibt, in denen ungelernte Kräfte einsteigen und zu Lernbegleitern ausgebildet werden könnten? Wisst ihr, dass es in Finnland sehr viel mehr Bewerber gibt, als eingestellt werden können? Wisst ihr, dass es Schulen gibt, in denen die Lehrer Freude an ihrem Beruf haben? Wie wäre es, wenn Bildungspolitik ernst genommen wird anstatt Wahlkampfsprüche raus zu hauen?