27. Juni 2022
Modellversuch Grundschule ohne Noten in BaWü erregt die Gemüter
Laut Pressemeldungen in der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten, will die grüne Kultusministerin Theresa Schopper in Kürze einen Modellversuch Grundschule ohne Noten starten. News4Teachers berichtet darüber. Was sich für aufgeklärte Pädagogen erstmal selbstverständlich und unspektakulär anhört oder anliest, wirbelt ordentlich Staub auf.
Kommentator Sonnenschein30 meint zum Beispiel:
Die Eltern sind selbst Schuld, wenn sie ihre Kinder als Versuchskaninchen in diesen Schulen anmelden. Denn nachher bleibt ihnen als weiterführende Schule eigentlich nur noch die Waldorfschule. An einer ’normalen‘ Schule kommen die Kinder später eher nicht zurecht.
Und bekommt dafür deutlich mehr Likes als Dislikes. Hupps? Ja. Richtig gesehen und richtig gezählt. Andere Kommentare blasen in das gleiche Horn. Es bleibt ein Rätsel, weshalb die Unvernunft immer den lautesten Lärm macht.
Wir lassen uns den Vorgang nur mal kurz auf der Zunge zergehen: 39 Grundschulen sind betroffen. Das ist vielleicht ein Prozent der Grundschulen in Baden-Württemberg.
Den Kommentatoren täte etwas Sachkenntnis gut. So hat die Schweizerische Gesellschaft für Bildungsforschung hier ein neues Buch vorgestellt. Es heißt Eine Schule ohne Noten. Neue Wege zum Umgang mit Lernen und Leistung und ist von Björn Nölte verfasst. Maßgebliche Forscher wie John Hattie und Remo Largo verweisen schon lang auf die negativen Folgen von Notengebung auf den Lernprozess, die Motivation und die Entwicklung. Aber egal. Wo Glaube, Aberglaube und Unwissen blühen, sind die schlichten sachlichen Argumente kaum mehr zu sehen. Auch nicht, wenn sie sehr gut belegbar sind.
Baden-Württembergs 39 Schulen sind zwei Sachen ganz besonders zu wünschen: Kollegien, Lehrerinnen und Lehrer, die die Chance des Versuchs nutzen und ihren Unterricht neu ausrichten. Es macht wenig Sinn, wenn der Unterricht weiterhin auf Prüfungsergebnisse ausgerichtet ist und statt mit Sechsen mit schlechten Beurteilungen gedroht wird. Das ist sicher eine Herausforderung und wir dürfen uns wünschen, dass die Modellschulen entsprechend unterstützt werden, respektive deren Schulleitungen den Versuch auch kraftvoll mit tragen. Weiterhin ist den Schulen zu wünschen, dass die Eltern genau diesen Versuch unterstützen. Denn Schülerinnen und Schüler merken sehr wohl, ob ihre Eltern hinter einem Schulkonzept stehen oder eben nicht. Es braucht also eine gute Information der Eltern.
Ich wünsche dem Versuch auf jeden Fall ganz viel Erfolg!