28. März 2022

Uhrverdrehung - die Zweiundvierzigste - wie lange noch? Und was das mit Schule zu tun hat.

Es graust den normal denkenden Menschen mindestens einmal im Jahr, wenn wieder die Uhr verdreht wird. In Deutschland geschieht dies seit 1980. Einen wirklichen Grund dafür gibt es nicht. Es wird dennoch getan. Und immer wieder erschreckend ist, wie wenig die Menschen, also die Bevölkerung, über dieses Phänomen Bescheid weiß. Es ist ehrlich gesagt beschämend. Es beginnt schon bei den Pressemeldungen darüber, die meistens schlichtweg falsch sind. Ein Beispiel gefällig? Die ZEIT titelt In Deutschland gilt wieder die Sommerzeit. Darunter ein sehr hübsches Bild, auf dem ein Kind in der Abendsonne schaukelt. Es könnte auch die Morgensonne sein, aber vermutlich ist es die Abendsonne. Darunter dann:

Immerhin: Durch die Umstellung auf Sommerzeit ist es abends länger hell.

Ja, wirklich. Das steht da. In der Zeitung. Begriffsverwirrung pur. Nein, es ist abends nicht durch die Umstellung länger hell. Länger hell ist es im Sommer, weil die Erdachse geneigt ist und in den Sommermonaten die Neigung auf der Nordhalbkugel der Erde Richtung Sonne zeigt. Und gefühlt ist es abends länger hell, weil die meisten Menschen früher aufstehen müsssen, weil die Uhr verdreht ist. Ich frage mich wirklich: wie kann jemand so einen Unfug in die Zeitung schreiben?

Nun wird den Menschen am Tage der Uhrverdrehung eine Stunde geklaut. Die Uhren werden nachts vorgedreht. Nun müssen Schulkinder wieder im Dunkeln aufstehen. Was viel schlimmer ist: sie müssen, um genug Schlaf zu bekommen, im Hellen ins Bett. Das schafft kein normales Kind. Nicht einmal mit Verdunkelung an den Fenstern ist das zu schaffen. Kinder werden nun gefühlt um 5 Uhr morgens geweckt um zur Schule zu gehen. Folglich fehlt ihnen Schlaf.

Die Wissenschaftlerinnen Maren Urner und Katharina Lüth haben auf Perspective Daily einen sehr schönen und wie ich finde auch verständlichen und lesenswerten Artikel verfasst: So hat der frühe Wecker dir geschadet. Die Botschaft ist eindeutig.

Auch Quarks hat sich dem Thema angenommen. Unter dem Titel Müde in der Schule: Warum Teenies ausschlafen sollten gibt es eine kompakte 5-Minuten-Info zu dem Thema.

Was aber viel schlimmer ist - und ich empfinde das als wirklich schlimm, dass viele Menschen sagen "ich finde Sommerzeit gut!" und bei einer Abstimmung für die ganzjährige Sommerzeit stimmen. Also nochmal: viele Menschen haben den ganz subjektiven Eindruck, dass ihnen die Uhrverdrehung nicht schadet, also wollen sie für alle anderen Menschen entscheiden, dass ihnen eine verschobene Zeit auch nicht schadet.

Ich ziehe daraus zwei Schlüsse. Der eine, sehr traurige Schluss ist, dass die Demokratie versagt. Wenn Entscheidungen von Menschen gefällt werden, die sich für die Folgen der Entscheidung überhaupt nicht interessieren, dann ist die Gesellschaft am Ende. Wenn rationale und vernünftige Argumente nicht in demokratische Entscheidungen einfließen, herrscht Willkür.

Der andere traurige Schluss ist, dass selbst so simple Fragen wie die Verdrehung von Uhren in keinster Weise hinterfragt oder auf ihren Sinn geprüft werden. Das ist kein Mangel an Schulnoten, das ist ein Mangel an Verantwortung und Interesse.

Beides legt für mich sehr nahe, dass unser Bildungssystem in keinster Weise an die Anforderungen der Gesellschaft angepasst ist. Denn genau dies wird in einer freiheitlichen Gesellschaft gebraucht: Menschen, die verantwortliche Entscheidungen treffen können. Und wenn es nur um die Entscheidung geht, ob man sich nun für welche Uhrverdrehung ins Zeug legt, verwirrende Begriffe wie Winterzeit verwendet oder behauptet, dass es durch die Uhrverdrehung länger hell wäre.