3. März 2024
Lehrerausbildung mangelhaft
Mark Rackles war von 2011 bis 2019 Staatssekretär für Bildung in Berlin. Seit 2019 ist er freiberuflicher Berater und Publizist im Bereich Bildungswesen.
Die von ihm verfasste Expertise "Neue Lehrkräfte braucht das Land - Herausforderungen und Handlungsempfehlungen für die Lehrkräfteausbildung in Deutschland 2024" wird herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Schrift ist zwar noch nicht im Druck erhältlich. Hier können wir jedoch schonmal eine pdf Version einsehen.
Wer sich wundert, weshalb die Situation an Deutschlands Schulen so viel Spielraum nach oben lässt, sollte sich das Werk einmal ansehen und kritisch durchlesen.
Ich kenne keine Lehrkraft, die von sich behaupten würde eine schlechte Ausbildung genossen zu haben. Ich kenne keine Schulleitung, die behauptet, dass Lehrkräfte in Deutschland schlecht ausgebildet wären. Gewerkschaften und Lehrerverbände schweigen gerne zu den Missständen in der Lehrerausbildung.
Schon in den ersten Sätzen des Vorworts schreibt Helmut Holter, Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport um was es geht:
Lehrerin oder Lehrer zu sein, geht mit höchster Verantwortung einher: unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich darauf vorzubereiten, eine offene Zukunft mitzugestalten. Damit zählt Lehrerin beziehungsweise Lehrer zu den wertvollsten und sicherlich auch sinnstiftendsten Berufen der Gesellschaft, was man nicht oft genug unterstreichen kann.
Eine Expertise wäre keine Expertise, wenn es nicht auch ums und ins Detail ginge. So dröselt Mark Rackles auf, dass es in Deutschland 16 verschiedene Ausbildungssysteme gibt, dass sich diese Ausbildungssysteme dann nochmal unterteilen in die unterschiedlichen Schultypen, die zumeist das überholte dreigliedrige Schulsystem Deutschlands abbilden. Und er schaut nach Finnland, wo die Lehrerausbildung einen deutlich höheren Praxisbezug hat und wo es einen Eignungstest gibt, der sich nicht nur auf Schulnoten stützt sondern das Forschungsinteresse und die Teamfähigkeit mit einbeziehen.
Die echten Klopper formuliert Mark Rackles nicht selbst, sondern stützt sich auf Zitate:
"Die Lehrerbildung in Deutschland ist durch eine Struktur gekennzeichnet, die sich in dieser Form in keiner anderen modernen Gesellschaft entwickelt hat. Ein zweihundertjähriger Entwicklungsprozess hat von sehr bescheidenen Anfängen ausgehend zu einem äußerst anspruchsvollen, aufwendigen und komplizierten System geführt."
(Terhart 2007)
Die Studie macht auch klar: so schwierig wäre es nicht, die Lehrerausbildung zu revolutionieren und das Studium attraktiver zu machen. Thüringen wird ab dem Studienjahrgang 2024/25 einen Probelauf mit einer dualen Ausbildung beginnen. Sie wird jedoch nur 50 Studierenden zuteil.
Wenn wir uns dann aber vorstellen, dass modern ausgebildete Lehrkräfte in konservativ geprägte Schulen und Kollegien eintreten ... da dürfte dann der ein oder andere Konflikt und der ein oder andere Frust vorprogrammiert sein. Es wäre daher ebenso wichtig und sinnvoll, die Schulen schon jetzt auf moderne Unterrichtsmethoden einzustimmen. Andernfalls wird Deutschland noch mindestens fünfzig Jahre Kinder mit einem preußischen Bildungssystem zu traktieren. Und dabei eine Menge verlieren.
Silke Fokken kommentiert die Expertise im Spiegel unter der Überschrift Wie am Ende "mehr und bessere" Leute heraus kommen. Dankenswerterweise ohne Bezahlschranke.