16. April 2024

Wie sinnvoll sind Verbote an Schulen für die Bildung

Schüler dürfen dies nicht, Schülerinnen dürfen jenes nicht. Die Schulordnung gilt in Schulen als das absolute Maß der Dinge. Wer die Schulordnung mehrfach nicht einhält, riskiert einen Schulverweis. Wie sinnvoll ist diese Praxis?

Die Argumentation der Verfechter dieser Praxis ist stets die gleiche: Regeln müssen eingehalten werden. Das ist wichtig zu lernen, denn es gilt ja auch im späteren Leben.

Diese Argumentation ist allerdings so dünn wie geschmolzenes Eis: sie trägt nicht. Ich zitiere mal aus dem Schulgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern den Paragraph 2 Absatz 2:

Die Schule soll den Schülerinnen und Schülern Wissen und Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen mit dem Ziel vermitteln, die Entfaltung der Persönlichkeit und die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen so zu fördern, dass die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, aktiv und verantwortungsvoll am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben.

Es ist einer meiner Lieblingsabsätze. Denn er wird zu gerne überlesen oder schlicht ignoriert.

Es soll die Persönlichkeit entfaltet werden. Die Selbständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen sind zu fördern und sie sollen lernen am politischen Leben teilzuhaben.

Wir leben immer noch in einer Demokratie. Die Demokratie ist die Staatsform, bei der eigentlich die Macht vom Volke ausgeht. Das hat zur Folge, dass die Demokratie eine Staatsform ist, in der ein ständiger Diskurs gefragt ist. Davon lebt nämlich die Demokratie. Die Staatsform ohne Diskurs heißt zum Beispiel Diktatur oder Autokratie. In Diktaturen ist es natürlich sinnvoll den Schülerinnen beizubringen, dass sie nicht zur Toilette gehen dürfen. Das Volk in einer Diktatur muss Schmerzen aushalten und Demütigung ertragen. Das ist in einer Demokratie nicht der Fall. In der Demokratie hat jeder Mensch Rechte, eine Menschenwürde und vor allem ein Mitspracherecht.

Die obigen Ausführungen sind nur die Einleitung, denn mein Eintrag hat natürlich einen ganz konkreten Grund. An vielen Schulen wird ein striktes Händiverbot praktiziert. Da steht beispielsweise in der Schulordnung, dass Händies in der Schule verboten sind. Heißt das aber nun, dass die Händies nur im Schulhaus selber verboten sind? Oder auch auf dem Pausenhof? Gilt das auch für den Notfall, dass zum Beispiel eine Schülerin ihre Eltern anrufen muss, damit sie abgeholt werden kann? Die Pädagogen an den meisten Schulen handhaben dieses Verbot ganz unterschiedlich. Einige Pädagogen ziehen dann das Händy ein. Andere schauen weg. Wieder andere sagen, dass das Verbot nur im Schulhaus gilt.

Ein Diskurs findet nicht statt.

Es gibt aber auch gute Schulen. So habe ich mal von einem Lehrer gehört, der mit seiner Klasse genau über das Thema gesprochen hat. Die Klasse hat dann selbständig entschieden, dass sie die Händies mal zur Probe einen Tag abgeben wird. Danach wurde dann über das Experiment gesprochen.

Natürlich sind Händies in Schulen absoluter Zündstoff - das ist mir vollkommen klar. Es gibt dabei nicht die eine richtige Lösung. Weder Händies überall erlauben ist sinnvoll. Das Verbot ist aber auch keine Lösung. Wir müssen es als eine Aufgabe der Schulen sehen gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine Lösung zu erarbeiten. Dabei wird sicher kein Verbot raus kommen. Für die Händies mache ich hier mal einen Vorschlag: die Nutzung ist in einem bestimmten Bereich des Schulhofs erlaubt. Ansonsten ist das Händy verboten. Es wäre ein sinnvoller Kompromiss. Eine Alternative wäre auch, das Händi in der großen Pause zu erlauben.

Wir müssen die Vorzüge und die Nachteile gegeneinander sorgfältig abwägen. Das Händi ist ein aus dem Alltag nicht mehr wegzudenkendes Ding. Es ist in der Arbeitswelt absolut normal, dass das Händi auch am Arbeitsplatz eingeschaltet ist und der Händibesitzer auch für kurze persönliche Telefonate erreichbar ist. Im Unterricht ist das natürlich undenkbar. Und in gewisser Weise auch vernünftig. Der Umgang mit diesem Apparat muss auch von Kindern erlernt werden. Umgang heißt hier: verantwortliche Nutzung. Kinder machen mit Händies auch absolut vernünftige Sachen, halten soziale Kontakte, spielen Schach oder Pokemont go, unterstützen sich beim Lernen. Mit einem Verbot kann nichts geübt werden.

Dass Kinder dazu neigen ihre Grenzen auszutesten ist bekannt und ebenso vernünftig. Schuld an einem Missbrauch des Händies ist dann aber nicht das Händi. Auch müssen wir berücksichtigen, dass ein Verbot nicht gegen Missbrauch des Händies hilft. Wer sich wichtig tun will und einem anderen Schülerin auf dem Händi etwas zeigen will was da nicht hingehört, wird dies trotz Verbotes tun.

Die ständige Nutzung des Händies verändert die Gehirne, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Es gilt dies aber auch für Erwachsene. Ob man das Verbot von Händies an Schulen nun als therapeutische oder pädagogische Maßnahme ansehen sollte, stelle ich hier mal infrage. Es scheint mir eher so zu sein, dass sich die Schule mit dem Händiverbot aus der Verantwortung stehlen will und vor allem "klare Verhältnisse" schaffen will, um Schülerinnen disziplizieren zu können. Das ist nicht im Sinne des Schulgesetzes.

Ob ein breitflächiges Verbot von Händies die reale soziale Interaktion der Kinder untereinander in den Pausen verhindert, ist eher zweifelhaft.