7. November 2021

Der Anfang dieser Website

Oooh, ich muss weit ausholen ...

Der Anfang geht sicher etwa auf das Jahr 1967 zurück. Mein Bruder kam in die Schule. Ich musste noch ein Jahr warten. Schule! Natürlich erinnere ich mich nur noch dunkel, aber diese bange Vorfreude auf den magischen Ort, den die Erwachsenen immer wieder beschworen haben mit "gehst Du schon in die Schule?" - "kommst Du dieses Jahr in die Schule?" usw. Meine Großeltern waren Lehrer, meine Onkel und Tanten waren Lehrer. Meine Eltern nicht, aber sie waren von Lehrern geprägt. Ich war fünf, als ich mit der Schultüte und Gottes Segen ins Klassenzimmer kam. Von diesem Tag an ging auch bei mir - wie bei fast allen Schülern - die Motivation in Wellen nach unten. In der 3. Klasse wars schon schwierig, da hatten wir die Frau Bolter. In der 4. hatten wir einen verständigen Herrn Riede und dann ging es auf die Hauptschule - meine Noten haben nicht fürs Gymnasium gereicht. An Ostern ging es dann in die 4. der Waldorfschule. Was ich damit erzählen will: auch ich habe eine Schulgeschichte, die mich mehr oder weniger positiv geprägt hat. Ja, ich habe auch gute Erinnerungen an die Schulzeit. Einen sehr engagierten und charakterstarken Werklehrer und einige empatische Lehrer sind mir in guter Erinnerung. Mathe hat mir Freude gemacht. Der Rest ging so lala. Sicherlich fand ich mich nur unzureichend begleitet in allen Fragen des älter werdens.

Ich habe meine Schulzeit im Rückblick stets mit gemischten Gefühlen gesehen. Dankbar und kritisch. Schon damals hinkte die Pädagogik den wirklichen Bedürfnissen weit hinterher, egal ob in der Waldorfschule oder in der Staatschule. Die Diskrepanz dürfte sich in den vergangenen fünfzig Jahren deutlich erhöht haben.

2010 wurden dann die Jungs geboren. Eine fast ideale Umgebung hierfür hatte ich da schon. Es war ein familiales Umfeld mit wohlwollenden Menschen. Schon kurz nach der Geburt konnten sie täglich erleben, wie andere Menschen miteinander umgingen. Und ich musste mich einmal mehr fragen: wie möchte ich leben? Wie möchte ich, dass sich die Kinder sozialisieren? Remo Largo half mit da etwas weiter. Vor allem aber die Beobachtung des Wunders Mensch, der mehr als zwanzig Jahre braucht um erwachsen zu werden. Der eine fing bald an zu reden, der andere fing bald an zu laufen. Zu beobachten, dass sich zwei Menschen ganz unterschiedlich entwickeln. Das bestätigt auch Remo Largo mit seinen langjährigen Forschungsergebnissen: Menschen sind individuell. Von Geburt an.

Viele Menschen wunderten sich, welchen Umgang wir mit den Kindern pflegten. "Waaaas??? ---- Die Kinder reden euch mit Vornamen an??? Warum???" - viele Fragezeichen! "Waaaas???? Ihr lasst die Kinder alleine mit dem Fahrrad in den Kindergarten fahren???? Das würde ich niiiiiee erlauben!!!!". Mit fünf konnten sie Holz hacken. Mit scharfen Messern haben sie sich bislang noch nie ernsthaft geschnitten.

2017 kam dann die Einschulung der Kinder und die tägliche Auseinandersetzung mit der Schule. Die Mängel schmerzen dann besonders. Personalmangel, Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf, Hausaufgaben, Schulwege und ein viel zu früher Schulbeginn. Schon von der 1. Klasse an sorgt Schule für einen permanenten Stresszustand bei Eltern und Kindern. Glücklicherweise hatten wir zur Lehrerin ein gutes, verständnisvolles und entspanntes Verhältnis. Danke! Die Kinder müssen in den Schulzeiten stets begleitet werden mit Verständnis und Sorge. Stetiges inneres Kopfschütteln über viel zu schwer Schulranzen mit unsinnigem Zeug drin und kuriosen Geschichten aus dem Schulalltag. Dass sie wirklich ihren Bedürfnissen, ihrem Entwicklungsstand entsprechend betreut werden, diesen Eindruck konnte man eigentlich nie gewinnen. Und dies, obwohl sich die Pädagogen große Mühe gaben.

Elterngespräche. Die Lehrerin wollte über Noten reden. Noten interessieren mich nicht. So haben wir über andere Sachen geredet und hätten noch lange weiter reden können. Verstörende Dialoge mit dem Schulamt. "Dafür sind wir nicht zuständig. Wir sind nur dafür zuständig die Schulen zu überwachen!" - war eine Aussage auf einen Vorschlag, dass an den Schulen doch mal was Vernünftiges gemacht wird.

Corona. Die Schulschließung war nicht die schlechteste Zeit. Die Kinder haben weniger Unarten von anderen Kindern gelernt, hatten Zeit und Raum eigenen Interessen nachzugehen und haben nicht weniger gelernt. Aus Spaß rechnen wir mit Millionen und suchen uns Aufgaben aus der 5. Klasse. Wir machen Kochschule. Es wäre schön noch mehr Kinder und noch mehr Lernbegleiter zu haben ... und am besten noch ein paar echte Produktions- oder Handwerksbetriebe dazu. Mehr bräuchte es nicht. Leider hat die Politik nichts gelernt: die Schulen werden unter schwierigsten Bedingungen zwanghaft geöffnet.

2021 dann der Schulwechsel auf die "Verbundene Regionale Schule und Gymnasium" in Dorf Mecklenburg. Dann wird alles etwas spooky. Der Lehrer ist nicht ansprechbar, offenbar ein Promi oder sowas. Die Kuriositäten aus dem Schulalltag werden nicht weniger. Ich versuche Verständnis für die Lehrer zu vermitteln. Schwierig. Wenn es allerdings die Wahl gibt: gehen wir in die Schule oder nicht? Dann entscheiden die Kinder in der Regel, dass sie gehen. Wir versuchen den Schulbesuch durch Gewohnheit zur Gewohnheit werden zu lassen - trotz vieler Hürden. Die ersten zwei Monate gibt es Deutschunterricht bei drei verschiedenen Deutschlehrern. Die eigentliche Deutschlehrerin kommt dann erst im Oktober. Naja.

Frau Martin bekommt eine Frage bei Abgeordnetenwatch und Abgeordnetenwatch bekommt eine Spende https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/bettina-martin/fragen-antworten/was-werden-sie-tun-um-an-mecklenburger-schulen-neue-erkenntnisse-der-paedagogik-und-lernforschung-umzusetzen

Ich lese Philipp Möllers Isch geh Schulhof.

Wenn ich mir die Gesellschaft der westlichen Welt so anschaue, dann komme ich zu der Erkenntnis: das Bildungssystem hat komplett versagt. Die Inkompetenz zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, in den oberen Gesellschaftsschichten wird sie am meisten sichtbar und tut am meisten weh. Unsere Saatslenker sind Meister in Selbstinszenierung und Meister ihren Lobbyismus zu kaschieren. Häufig ist die Wahrheit nur noch in Form von Satire erträglich. Der gesellschaftliche Verfall und Zerfall ist eine Zeiterscheinung. Diese Erscheinung ist bei weitem bedrohlicher als der Klimawandel und die Migration zusammen. Ursächlich ist ein Zusammenhang garantiert im kaputten Bildungssystem der Nachkriegszeit auszumachen. Irre finden sich nicht nur bei den Leerdenkern sondern eben auch in allen anderen Bereichen, in denen sie mehr oder weniger offensichtlich ihr zerstörerisches Werk treiben. Häufig tun sie dies im guten Glauben etwas Gutes zu tun. Sie bestimmen unseren Alltag mehr als gut und gesund ist. Ein Bildungswesen, in dem statt uniform abfragbarem Prüfungsstoff Sozialkompetenz und kognitive Kreativität gefördert wird, könnte diesem Mangel am besten entgegen wirken. Eine Bildungswende muss her. Unverzüglich, sofort!

Ende Oktober kommt die Klage, dass die Kinder angeblich im Deutschunterricht Mathehausaufgaben gemacht haben. Ich freue mich über die Kreativität der Kinder, dass sie wissen, wie sie ihre Langeweile im Unterricht kompensieren können. Ich muss das unterschreiben!

Am 3. November leitet mir Anne-Christin eine Mail vom Herrn Lehrer weiter:

Sehr geehrte Eltern,

ich möchte Sie bitten, dass Ihre Kinder mir am Freitag die unterschriebenen Notenspiegel und die unterschriebenen Elternsprechtagzettel inklusive Gesprächswunsch mit Fach und Thema zurückgeben.

Weiterhin möchte ich Sie aus aktuellem Anlass darum bitten, darauf zu achten, dass Ihre Kinder die Hausaufgaben erledigen. In der Woche vor den Ferien habe ich allein im Fach Mathematik 7 Kinder ohne Hausaufgaben gehabt.
Heute haben viele Kinder (ca. 10) die Hausaufgaben für das Fach Deutsch nicht erledigt.
Selbstverständlich müssen nicht erledigte Hausaufgaben nachgereicht werden. Bei dreimaliger Nichterledigung der Hausaufgaben werden die Fachlehrer und ich die Note 6 eintragen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend!

Mit freundlichen Grüßen
B. Lehrer

Upps. Da hat offenbar jemand zu warm gebadet oder irgendwas geraucht. Selbst der recht konservative John Hattie findet in seiner Metastudie: Hausaufgaben sind überbewertet. Eltern und Kindern mit einer 6 zu drohen, nur weil die Lehrer unfähig sind, das geht offenbar etwas zu weit.

Ich widerstehe dem spontanen Impuls dem Herrn B. Lehrer eine angemessene Antwort zurück zu schreiben. Aber ich mache den Kindern klar: es wird keinen Hausaufgabenterror geben. Die 6 ist mir egal. Wenn es Probleme mit den Hausaufgaben gibt, dann sollen sie mir Bescheid geben.

Und ich setze mich einmal mehr hin und recherchiere ... tagelang, nächtelang. Die Recherchen werden dokumentiert und ich staune und staune. Einerseits staune ich über die tatsächlichen unterirdischen Zustände an den Schulen, ich staune aber noch viel mehr wie viele geniale Ansätze es gibt diese Zustände zu überwinden.

Das ist der Beginn dieser Website.