23. Februar 2024
Studie zu Schulnoten in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft
Die Autoren Nicolas Hübner, Malte Jansen, Petra Stanat, Thorsten Bohl und Wolfgang Wagner haben in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft eine Studie unter dem Titel Alles eine Frage des Bundeslandes? Eine mehrebenenanalytische Betrachtung der eingeschränkten Vergleichbarkeit von Schulnoten veröffentlicht.
Das Studienergebnis steht in krassem Gegensatz zu der häufig an Schulen angewendeten Praxis, dass Schulnoten das absolute Mittel der Leistungsbewertung darstellen.
Wem die ganze Studie zu sperrig ist, sei ein zusammenfassender Artikel im Spiegel empfohlen.
Die Studie ist in wissenschaftlicher Sprache abgefasst. Wissenschaft hat nicht die Aufgabe, die Tragik eines Untersuchungsergebnisses zu bewerten.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Schülerinnen und Schüler mit gleichen Schulnoten substantiell unterschiedliche Kompetenzen aufweisen und dies auch umgekehrt gilt.
"... substantiell unterschiedliche Kompetenzen aufweisen ..." sagt ganz klar: Schulnoten sind ungerecht. Die Studie versucht, Einflussgrößen wie Bundesland und Schule sichtbar zu machen. Es werden aber auch die Einflussgrößen Geschlecht und soziale Kohorte aufgeführt. Bei der wissenschaftlich nüchternen Betrachtungsweise gehen dann leicht die essentiellen Folgen unter.
- Das Bildungssystem ist ungerecht
- An den Schulen werden Verlierer produziert
- Viele Schülerinnen und Schüler werden demotiviert, gedemütigt und benachteiligt
Ferner zeigte sich, dass die Unterschiede zu einem erheblichen Maß durch Unterschiede zwischen Schulen innerhalb von Bundesländern erklärt werden konnten und deutlich weniger durch Bundeslandunterschiede.
Dass die Unterschiede auf Klassen- und Schüler-Lehrer-Ebene direkten Einfluss auf das Schicksal von Einzelmenschen haben, ist nicht Bestandteil der Studie, aber Bestandteil des Schulalltages einer jeden Schülerin und eines jeden Schülers. Jede Unterrichtsstunde. Jeden Moment.
Missstände verstecken sich gerne hinter Studien. So verwundert es nicht, dass Missstände kultiviert werden.
Dass Schulnoten nicht unbedingt den Stein der Weisen in der Leistungsbeurteilung darstellen, wird bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts klar, als mehr und mehr Schulreformer komplett auf die Notengebung verzichten. Die Mängel an der Notengebung sind bereits seit mehr als 150 Jahren bekannt.
Was können wir tun? Viele Lehrer glauben immer noch an einen pädagogischen Wert der Notengebung. Wir können zumindest unseren Kindern sagen: Nein, die Note ist kein Indikator dafür, ob du etwas kannst oder nicht kannst. Wir müssen unseren Kindern genau dies sagen: lasst Noten einfach Noten sein. Sie sind nicht mehr, als Zahlen auf Papier. Nämlich wertlos. Es ist unsere Pflicht, die Kinder davor zu schützen, sich durch Noten zu definieren. Da muss man sich natürlich schon fragen: wie bekloppt ist das denn? Da ist ein ganzes Schulsystem aus hunderten von Paragraphen und Verordnungen genau darauf ausgelegt, Kinder auf einer Ziffernskala von eins bis sechs zu bewerten und wir müssen den Kindern sagen: das ist kompletter Unfug! - Dem Jungen müssen wir sagen: wärest du ein Mädchen, hättest du bessere Noten. Dem Kind mit Migrationshintergrund müssen wir sagen: hättest du deutsche Wurzeln, hättest du bessere Noten.
Dass dieses ungerechte System auf die gesamte Gesellschaft wirkt und ausstrahlt, macht die Misere nicht besser. Deutschland konnte einen guten Platz in der Schulabbrecherquote erzielen. Gibt es noch weitere Fragen?
Auch Lehrkräfte könnten aus der Studie etwas lernen. Anstatt zu sagen: du hast eine vier in Deutsch - streng dich mal an, vielleicht schaffst du ja eine drei! Könnten sie dem vierer Kind einfach eine drei geben und sagen: du hast super gelernt und du kannst stolz auf dich sein. Es darf in Schulen nicht weiter um Demütigung gehen - das steht auch so ganz klar in den Landesschulverordnungen. Schule hat eine Fürsorgepflicht. Diese Fürsorgepflicht schließt ein, dass jedes Kind seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend gefördert wird. Förderung und Demütigung - das wird häufig verwechselt. Schulnoten werden hierfür als ein bewährtes Mittel angesehen.
Schule geht besser.