25. April 2022

Die Schulpsychologin hospitiert in der Klasse 5c

Ich schreibe diese Realsatiere für alle auf, die potentiell oder aktuell in einer ähnlichen Situation sind wie wir: ausgeliefert den behördlichen Mühlen des Schulsystems. Mit sehr vielen Menschen, die mehr oder weniger zuständig sind und mehr oder weniger bemüht und mehr oder weniger kompetent. Ich kann und will niemandem in dieser Geschichte schlechte Absichten unterstellen. Wirklich nicht! Und dennoch bin ich immer wieder erschüttert, wie gnadenlos dieses System mit Menschen umgeht. Sowohl mit jungen Menschen, die dem System quasi schutzlos ausgeliefert sind, aber auch mit Eltern, die versuchen dem System etwas Gutes abzugewinnen, proaktiv mitarbeiten und versuchen das Beste aus der Situation zu machen.

Heute war also der große Tag. Besser gesagt ein großer Tag unter vielen. Die für die Schule zuständige Schulpsychologin sollte im Unterricht hospitieren. Uns war von vornherein klar, dass aus solch einer Hospitation keine Wunder zu erwarten sind. Im Gegenteil. Allen Beteiligten muss man zugestehen, dass sie nur mit Wasser kochen, in ihren Funktionen kein Weihwasser oder andere Hexerei verwenden, fehlbar sind und - eben - keine Wunder vollbringen können. Der Tag war überschattet von Abistreichen - der eher bösen Art.

So kam Frau D. in die dritte Stunde. Es wurde Biologie von Herrn Dr. B. gegeben. Herr Dr. B. gab sich überaus freundlich. Ich schreibe dies, weil ich die Information aus verschiedenen Quellen habe. Ich war selbst nicht dabei. Dem betroffenen Kind wurde angeboten, dass es auch andere Aufgaben machen kann. Dann gab es einen Moment, in dem Dr. B. den Klassenraum verließ, um etwas zu kopieren. In diesem Moment sagt das Kind: Herr Dr. B ist heute überaus freundlich. Dies hat die ganze Klasse gegenüber Frau D. bestätigt.

Ich habe Mittagessen zubereitet. Dann kamen zwei Kinder nach Hause. Sie haben sich fast überschlagen. "Wolfgang, Wolfgang, ich muss dir etwas erzählen ..." - "... Nein, lass mich erzählen ..." ... "Herr Dr. B. war heute überaus freundlich. Er hat dem Kind erlaubt andere Aufgaben zu machen. An anderen Tagen hätte er gesagt: du kannst ja noch etwas abschreiben oder die Aufgabe mit Bemerkungen versehen!" - Später rief mich eine andere Schülermutter an: "Wolfgang! Mein Kind hat mir heute erzählt, dass Herr Dr. B. ganz anders war und dass die Kinder dann zu Frau D. gesagt haben, dass Herr Dr. B. sonst nicht so freundlich ist. Ich finde es großartig, dass die Kinder das gemacht haben."

Ich frage mich: was geht? Offenbar ist der Herr Dr. B. tatsächlich in der Lage zugewandten Unterricht zu machen. Ob die Schulpsychologin so etwas schon einmal erlebt hat? Was wird als nächstes geschehen?

Herr Dr. B. hat dann noch per E-Mail um das Testergebnis des WISC-V Tests gebeten.

Und ... warum ist das jetzt eine Realsatire? Eigentlich bleibt mir wirklich das Lachen und die Spucke im Halse stecken. Es ist schier unglaublich. Würden wir nicht so einen Affenzirkus veranstalten, würde genau überhaupt gar nichts passieren. Den Kindern würden weiter irgendwelche Lehrbuchseiten vorgesetzt, es würde weiter mit Sechsen gedroht und mit ausbleibenden Lobkarten. Nun werden Heerscharen von Persönlichkeiten in Bewegung gesetzt irgendwelche Formulare anzufordern und auszuwerten und irgendwelcher Schickischnickischnacki gemacht. Warum? Weil der Herr Dr. B. den falschen Beruf ergriffen hat. Oder einfach keine Lust hat seine Arbeit ordentlich zu machen.

Das Kind will keine Sonderbehandlung. Es will akzeptiert werden. Auch vom Lehrer. Auch vom Lehrer Dr. B. Nichts anderes steht übrigens im Schulgesetz. Also: Schulgesetz befolgen und alles wäre gut. Statt dessen gibt es jetzt dieses Heckmeck seit über einem halben Jahr. Ein Ende ist erst mit dem Ende des nächsten Schuljahres in Sicht. Und wir können einfach nur hoffen, dass die bis dahin angerichteten Schäden nicht irreparabel sind.

Eines schonmal vorweg: es ist einfach großartig, dass die Klasse so reagiert hat. Das ist ein Zeichen und ich hoffe, dass alle Kinder dieses Zeichen für ihr ganzes Leben nicht vergessen. Für jemanden einstehen, ohne selbst einen Vorteil davon zu haben. Das ist stark! Danke! Diese Größe haben sie sicher nicht vom Lehrer Dr. B. gelernt.

§2 Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule

(1) Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen wird bestimmt durch die Wertentscheidungen, die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern niedergelegt sind. Zu ihnen gehört eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der wertschätzenden Kommunikation, die die Würde der Schülerpersönlichkeit wie der Lehrpersönlichkeit achtet. Ziel der schulischen Bildung und Erziehung ist die Entwicklung zur mündigen, vielseitig entwickelten Persönlichkeit, die im Geiste der Geschlechtergerechtigkeit und Toleranz bereit ist, Verantwortung für die Gemeinschaft mit anderen Menschen und Völkern sowie gegenüber künftigen Generationen zu tragen.

(2) Die Schule soll den Schülerinnen und Schülern Wissen und Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Einstellungen und Haltungen mit dem Ziel vermitteln, die Entfaltung der Persönlichkeit und die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen so zu fördern, dass die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, aktiv und verantwortungsvoll am sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben teilzuhaben.

§ 3 Lernziele

  1. Die Schülerinnen und Schüler sollen in der Schule insbesondere lernen,
  2. Selbstständigkeit zu entwickeln und eigenverantwortlich zu handeln,
  3. die eigene Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Ausdrucksfähigkeit zu entfalten,
  4. selbstständig wie auch gemeinsam mit anderen Leistungen zu erbringen,
  5. soziale und politische Mitverantwortung zu übernehmen sowie sich zusammenzuschließen, um gemeinsame Interessen wahrzunehmen,
  6. sich Informationen zu verschaffen und sie kritisch zu nutzen,
  7. mit digitalen Medien kompetent umzugehen, sich in einer digital geprägten Welt zu orientieren und an deren Gestaltung teilzuhaben,
  8. die eigene Meinung zu vertreten und die Meinung anderer zu respektieren,
  9. die grundlegenden Normen des Grundgesetzes zu verstehen und für ihre Wahrung sowie
  10. für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzutreten,
  11. in religiösen und weltanschaulichen Fragen persönliche Entscheidungen zu treffen und Verständnis und Toleranz gegenüber den Entscheidungen anderer zu entwickeln,
  12. eigene Rechte zu wahren und die Rechte anderer auch gegen sich selbst gelten zu lassen sowie Pflichten zu akzeptieren und ihnen nachzukommen,
  13. Konflikte zu erkennen, zu ertragen und sie vernünftig zu lösen,
  14. Ursachen und Gefahren totalitärer und autoritärer Herrschaft zu erkennen, ihnen zu widerstehen und entgegenzuwirken,
  15. Verständnis für die Eigenart und das Existenzrecht anderer Völker, für die Gleichheit und das Lebensrecht aller Menschen zu entwickeln,
  16. mit der Natur und Umwelt verantwortungsvoll umzugehen,
  17. für die Gleichstellung von Frauen und Männern einzutreten,
  18. Verständnis für wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge zu entwickeln,
  19. eine begründete Berufswahl zu treffen.