16. Oktober 2022

Was ist gute Schule? Die SZ hat bei Wissenschaftlern nachgefragt

Der Artikel liegt bedauerlicherweise hinter einer Bezahlschranke. Da ich ihn unbedingt lesen wollte, habe ich einen Probemonat für das Abo abgeschlossen.

Ehrlich gesagt, habe ich mir etwas mehr Information versprochen. Schließlich wurden Wissenschaftler gefragt. Der Artikel ist aufgeteilt in acht Hauptüberschriften, die alle in Frageform getextet wurden. 1. Was ist guter Unterricht?, 2. Was macht eine gute Lehrerin/einen guten Lehrer aus?, 3. Lernen Kinder in kleineren Klassen besser?, 4. Ziehen gute Schülerinnen und Schüler schlechte mit – oder ziehen schlechte gute nach unten?, 5. Ist es gerecht, Kinder nach der vierten Klasse zu trennen?, 6. Sind Noten noch zeitgemäß?, 7. Macht die Digitalisierung das Lernen einfacher?, 8. Fehlt es dem Bildungssystem an Geld?

Das ist erstmal schön und gut. Wenn wir jetzt unter die Überschriften gucken, finden wir wieder einen ziemlich konventionellen Meinungssalat, der mit der Wirklichkeit wie so oft nur sehr wenig zu tun hat. Die angegeben Zahlen mögen richtig sein. Was aber, wenn schon die Fragestellung hinkt? Könnten die befragten Forscherinnen und Forscher nicht etwas klarer Stellung beziehen? Nehmen wir mal die Frage 7 - ganz exemplarisch. Da steht dann, dass Digitalisierung doof ist, wenn sie die Kinder berieselt oder Lernapps im Einsatz sind, die zu verspielt sind, sodass die Lerninhalte dahinter nicht mehr wahrgenommen werden. Das Fazit: Ohne Lehrer ist an der Schule alles nichts. Auf Twitter habe ich das kürzlich etwas prägnanter gelesen: wenn man einen beschissenen Prozess digitalisiert, dann hat man einen beschissenen digitalisierten Prozess.

Auch John Hattie muss natürlich herhalten. Nur: um John Hattie auch nur annähernd zu verstehen, reicht ein popeliger Zeitungsartikel eben nicht aus. John Hattie ist Bildungsforscher und hat neben seiner berühmten Studie in vielen Schulen und vielen Klassen hospitiert. Seine simple Formel "Teacher matters" kann man in jeder Klasse erleben.

Tatsächlich verstecken sich in dem Artikel ein paar interessante Wahrheiten. So sagt beispielsweise Mareike Kunter vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt: "Unterrichtsenthusiasmus ist wichtiger als Fachenthusiasmus".

Ein sehr starker Fokus wird im Artikel immer auf den Lernerfolg gelegt. Allerdings wird hier der prüfbare Lernerfolg in den klassischen Disziplinen als Maßstab genommen. Nur: das ist nur in geringem Maße der Parameter, der darüber bestimmt, ob ein Schüler nach der Schule ein selbstbestimmtes Leben führt, Verantwortung übernimmt und seinen Platz in der Gesellschaft findet. Ein gutes Schulsystem muss so ausgelegt sein, dass auch ein Kind, welches weder lesen noch schreiben lernt, welches nicht rechnen kann, seine Würde nicht verliert und seine individuellen Stärken entwickeln kann, die möglicherweise auf einem ganz anderen Felde liegen.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Wissenschaftler zu dem Ergebnis kommen: Noten sind besser als ihr Ruf. Noten sind zwar ungerecht und wirken sich negativ auf die Motivation von Schülern aus. Eine amerikanische Metastudie kommt zu dem Schluss: Wo Noten verzichtbar sind, solle darauf zu verzichtet werden. Wann Noten allerdings notwendig sind und wann verzichtbar, das entscheidet nicht die Wissenschaft, sondern die Politik.

Die Wissenschaftler geben klar zu erkennen: wir bleiben dem bestehenden System treu! Es hat uns geholfen da hin zu kommen wo wir sind. Damit ist klar, dass es zu verteidigen ist. Wasch' mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wir wollen auch bei Bildungsfragen mitreden, aber so richtig Ahnung wollen wir dann doch nicht haben. Das ist der Eindruck, den der Artikel bei mir hinterlässt.