8. April 2025
Neues Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz
Es liegt ein neues Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz vor. Es umfasst 214 Seiten. Zahlreiche namhafte Professorinnen und Professoren haben an dem Gutachten mitgewirkt. Grob gesagt betrachtet es die Ausgangssituation von Schülerinnen und Schülern von der Schule ins Ausbildungs- oder Berufsleben. Es konstatiert einen Haufen von Defiziten, z.B. in Sprachverständnis, Lese- und Rechtschreibqualifikation und in der Mathematik. Der Spiegel schreibt unter anderem über das Gutachten:
Die Ausgangslage sieht nicht rosig aus: Fast ein Drittel aller 15-Jährigen scheitert gemäß der aktuellen Pisa-Studie an einfachen Mathematikaufgaben. Beim Lesen sieht es kaum besser aus: Dort erreicht rund ein Viertel nicht das Mindestniveau.
Aber wozu, so mag sich der geneigte Leser fragen, braucht man jetzt dazu ein Gutachten im Umfang von 214 Seiten?
Ich bin ehrlich: ich habe mich das auch gefragt.
Die Landesschulordnungen schreiben im Grunde alles was notwenig ist vor: Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden an der freiheitlich demokratischen Gesellschaft teilzunehmen. Das ist ein Satz.
Die psychosoziale Situation der Schülerinnen und Schüler an den Schulen ist schlecht. Und so sehen dann eben auch die Ergebnisse aus, die diese Schulen hervor bringen. Gutachten hin, Gutachten her und Gutachten wieder zurück. Gutachten, Du änderst nichts an der Situation und diese Situation ist schon alt. Es ist schon etwas blöde, wenn eine Situation schlecht ist, es bekannt ist dass die Situation schlecht ist und anstatt die Situation zu ändern, wird ein Gutachten über die schlechte Situation gemacht. Und damit ist das Malheur des Bildungssystems eigentlich schon beschrieben.
Das Gutachten schließt mit 29 Empfehlungen. Hier einmal exemplarisch aus der Empfehlung Nr. 28:
Empfehlung 28 Stärkung des Erwerbs basaler und funktionaler mathematischer, sprachlicher und anderer grundlegender berufsrelevanter Kompetenzen
Dies umfasst:
- wöchentliche Mindeststundenzahl für die Förderung basaler und funktionaler Kompetenzen in Mathematik, Deutsch, in Abhängigkeit von der beruflichen Fachrichtung Naturwissenschaften und Fremdsprache Englisch sicherstellen (z. B. mindestens je drei Wochenstunden für Mathematik und Deutsch) sowie die systematische Förderung digitaler Kompetenzen verbindlich regeln (durch klare Ausweisung der fachlichen bzw. fächerübergreifenden Vermittlung)
- ...
Das liest sich vernünftig und intelligent. Aber ist es das auch wirklich? Wie sieht der Alltag in den Schulen aus? Momentan wird weiträumig darüber fabuliert, ob denn Händis an Schulen grundsätzlich verboten werden sollen. Nur wird dabei vergessen, dass schon alleine diese Diskussion vollkommen sinnfrei ist. Digitalkompetenz wird kaum durch Verbote erreicht. Bei den meisten Lehrkräften fehlt bereits basales Wissen und Kenntnisse zur Bedienung von Textverarbeitungsprogrammen. Jetzt soll aber digitale Kompetenz verbindlich geregelt werden ...
Gute Schulen machen es vor. Da gehören digitale Endgeräte zum Schulalltag, nichts wird verboten, nichts wird kontrolliert. Warum guckt da keiner was ab?
Vermutlich schämt sich keiner der an diesem Werk beteiligten Wissenschaftler über so viel Zeit- und Ressourcenverschwendung. Dieser ganze Blindtext könnte von einer blöden KI erstellt sein. Versteht ihr was ich meine? Marina Weisband hat das sehr viel treffender in ihrem Buch geschrieben: so lange die Toiletten in den Schulen nicht nutzbar sind, müssen wir uns gar nicht über Konzepte und Inhalte unterhalten. In dem angeblichen Gutachten wird in gestelztem Deutsch vermittelt "Wir wissen wie es geht ...!"; in den Schulen laufen Lehrer herum, die sich zu fein sind auf den Gängen ihre Schülerinnen und Schüler zu grüßen. Gute Bildung fängt bei der Wertschätzung derjenigen an, für die die Schule eigentlich da sein sollte. Und dann ist es fast egal, was in irgendeinem Lehrplan steht, was irgendwelche wissenschaftliche Gutachten zum Besten geben. Ja, gute Schulen sind viel Arbeit. Das ist keine Frage. Nur: wenn eine Aussage nicht auf einer DIN A4 Seite untergebracht werden kann, dann ist sie einfach unbrauchbar. Dieser ganze pseudowissenschaftliche Käse hat genau das System hervorgebracht, worunter nun nicht nur die Schülerinnen und Schüler leiden sondern die ganze Gesellschaft. Wenn es uns nicht gelingt die Schulen als lebendige Lernräume zu gestalten, dann ist jedes Konzept reine Makulatur. Mindeststundenzahl hin, Mindeststundenzahl her, wenn jeder einzelne Schüler keine Begeisterung für intrinsisches Lernen entwickeln darf, können alle Stunden in die Tonne.