27. Mai 2022
OZ: Mehr Sitzenbleiber, psychischer Druck: So geht es den Schülern in MV
In der Ostsee-Zeitung wird heute hinter der üblichen Bezahlschranke bilanziert, wie das vergangene Schuljahr denn so abgeschnitten hat.
Wenn ich den Artikel so lese, denke ich »Naja - auch das ist eine Sichtweise«. Besonders intelligent finde ich diese Sichtweise nicht. Ich behaupte auch mal, dass sie keiner wissenschaftlichen Validierung standhält. Denn, wie so oft in solchen tendenziösen Kolumnen spielt ja doch die große Meinung des Redakteurs eine entscheidende Rolle. Und Redakteur wird man vor allem, wenn man so einen gewissen trivialen Volkssprech verbreitet.
Anke Rösler, das ist die Sprecherin von Frau Oldenburg, sagt zum Beispiel: »Die Abschlussprüfungen sind in diesem Jahr ohne Probleme gelaufen«. Und: »Einige Landkreise melden zurück, dass sie in der Vermittlung des Unterrichtsstoffes mindestens so weit sind wie vor der Pandemie, weil weniger Klassen- und Studienfahrten, Projekte und Wandertage möglich waren und damit mehr Unterricht gegeben wurde«. Offenbar hat die Frau weder den Sinn von Schule verstanden noch hat sie begriffen, wie lernen funktioniert. Denn Studien wissen genau dieses: mehr Klassenfahrten, Projekte und Wandertage führen zu besseren Lernergebnissen. Die höhere Anzahl der Stunden führt nicht automatisch zu besseren Lernergebnissen.
Das Beispiel der freien Rostocker Don-Bosco-Schule, deren Schulleiter Mengel bestätigt, dass mehr Anträge auf Wiederholungen gestellt werden, hinkt gewaltig. Denn: natürlich haben Schülerinnen und Schüler während der Coronazeit auch andere Dinge getan, als Schulstoff in sich hinein zu stopfen und in Prüfungen wieder auszukotzen. Der Fehler liegt eher darin, dass diese Auskotzerei das Maß aller Dinge ist. Ließe man den Schülern nun ein Jahr der Regeneration, also eine Zeit, in der auch die sozialen Aspekte des Schullebens einen größeren Raum bekommen, würden sich die Stofflücken sehr einfach quasi von selbst stopfen. Es ist auch anzunehmen, dass die Eltern einer freien Schule eher geneigt sind die Kinder eine Ehrenrunde drehen zu lassen.
Dann kommt noch Kay Czerwinski, der Vorsitzende des Elternrates in Mecklenburg-Vorpommern zu Wort. Er spricht sich für eine stärkere psychologische Betreuung der Schülerinnen und Schüler auch in der Zukunft aus. »Denn die Weltlage mit Krieg und Klimakrise, aber auch die Inflation – all diese dauernden schlechten Nachrichten belasten die Kinder und Jugendlichen«. Das ist ja im Grunde nicht falsch. Nur: das sollte die Grundlage einer jeden Schule sein, dass sie die Kinder fit macht für ein Leben in der wirklichen Welt. So zumindest schreibt es die Landeschulordnung vor. Herr Czerwinski sagt also nichts anderes, als dass die Schulen ihre Hausaufgaben nicht machen.
Zum Schluss des Artikels wird noch die viel zu hohe Belastung der Lehrkräfte herausgekehrt. Abhilfe soll hier laut Schulleiter Mengel mehr digitales Lernen schaffen. Wenn ich mich umhöre unter Schüler und Lehrer über den Zustand der Digitalisierung, dann ist das Ergebnis geradezu vernichtend. Das trifft auf die meisten Schulen zu. Und wieder fragt man sich: Schule geht besser. Das machen einige wenige Schulen vor, die das Potential des digitalen Lernens tatsächlich nutzen und dabei gute Erfahrungen machen.
Das beste Argument liefert dann aber ein Kommentar in der gleichen Zeitung. »Lehrer brauchen als Hilfe mehr als nur Meer« - schreibt Claudia Labude-Gericke. Sie ist der Ansicht, dass mit der Bildungsministerin Simone Oldenburg ja nun eine frühere Praktikerin das Ruder in der Hand hat und dies hilfreich ist, »um schnell gute Lösungen zu finden«. - Räusper ... - Man fragt sich dann allerdings, weshalb Frau Oldenburg ihre frühere Website, auf der einiges über ihre Ansicht zu Schulthemen zu lesen war, still und heimlich ins Off geschickt hat. Und ganz nebenbei: Frau Oldenburg ist stellvertretende Ministerpräsidentin und seit Ende Oktober 2021 im Amt. Bislang ist von einer Verbesserung an den Schulen nichts zu spüren.