25. Juni 2025

Vertretungsstunde Sozialkundeunterricht - ein Erfahrungsbericht

Obwohl der Unterricht schon seit vielen Stunden vorbei ist, zwischendrin noch Roboter AG war, kommt der Schüler der 8. Klasse des örtlichen Gymnasiums vollkommen aufgeregt nach Hause. "Wolfgang, Wolfgang, Wolfgang, Wolfgang ... ich muss Dir was erzählen!".

Ich versuche die Erzählung etwas unaufgeregt wieder zu geben.

Durch die mündlichen Prüfungen des diesjährigen Abiturjahrganges gibt es ein paar Änderungen im Stundenplan. Es gibt viele Vertretungsstunden. Darunter eine Vertretungsstunde in Sozialkunde bei einem Pädagogen, den sie offenbar noch nicht so oft hatten. Dieser Pädagoge macht mit der Klasse ein Spiel. Es sollten sich auf der einen Seite des Klassenraumes jene Schülerinnen aufstellen, die Bestrafungen in der Schule nicht gut finden. Auf der anderen Seite sollten sich jene Schüler aufstellen, die Bestrafungen gut finden. Der berichtende Schüler quetschte sich an die Wand, die den wertschätzenden Umgang bevorzugt. Er erzählte, dass auf dieser Seite nur ganz wenige Schülerinnen und Schüler waren. Diese waren dann auch eher in der Raummitte. Er wäre der einzige gewesen, der komplett gegen Bestrafungen gewesen wäre. Er berichtete, dass auch die intelligentesten Schülerinnen der Klasse auf der Bestrafungsseite, dort sogar recht weit an der Wand gestanden hätten. Er berichtete, dass die intelligenteste Schülerin, die auch bei der Grünen Jugend aktiv mitmischt sehr weit auf der Bestrafungsseite gestanden hat.

Ich versuche eine sehr knappe Einordnung. Der Kopf eines fast 15jährigen ist nur schwer in der Lage in diesem Moment komplexere Zusammenhänge zu erfassen.

Ich selbst war auch durchaus ein wenig überrascht über das Ergebnis. Wobei ich es jetzt im Rückblick gar nicht mehr so überraschend finde. Wir befinden uns in Mecklenburg. In einer eher konservativen Schule. Die Schulleiterin war bereits in der DDR Schulleiterin. Das Prinzip Bestrafung ist auch in den Elternhäusern noch ziemlich tief in den Köpfen verankert. Wir sehen dies nicht nur bei den Wahlergebnissen. Ich war kürzlich bei meinem syrischen Friseur. Er war kürzlich ein paar Tage in Holland. Und berichtete, dass die Menschen dort "ganz anders" wären.

Und ja, emotionale Intelligenz und kognitive Intelligenz gehen nicht immer Hand in Hand. Wenn ich das mal so beschreiben darf. Emotionale Intelligenz und kognitive Intelligenz sind zwei Paar verschiedene Stiefel.

Nur: was ist nun die Schlussfolgerung?

Also zunächst kann man ja sehr schlicht zusammen fassen, dass da einiges schief läuft in den Köpfen. Es ist, ich muss das kurz erwähnen, im Grunde ein deliranter Zustand. Delir kommt nämlich aus dem Griechischen: vom Gleis abkommen. Aber das nur am Rande. Bestrafung ist der schlechteste Weg eine Verhaltensänderung zu bewirken. Da kommen wir in die hirnorganischen Prozesse, die wir hier nicht vertiefen müssen. Was viel schlimmer ist: durch Bestrafung schützt sich das System vor Veränderungen. Und gerade in der Schule wären Veränderungen sowas von dringend notwendig. Das ist das eine.

Das andere ist, dass Bestrafungen verboten sind. Denn sowohl psychische als auch physische Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist verboten. Und da gibt es auch keinen Spielraum. Bedrohung mit Nicht-Versetzung und schlechten Noten ist physische Gewalt und ist verboten. Ganz schlicht und einfach. Jetzt kommen die ganz Spitzfindigen, die behaupten, dass Bestrafung ja keine Gewalt wäre. Dem stelle ich gegenüber, dass eine falsche Behauptung auch nicht richtig wird nur dadurch, dass eine große Mehrheit diese Behauptung aufstellt. Bestrafung ist Demütigung und Demütigung ist psychische Gewalt.

Ich frage mich wirklich, wie man diesem System einfach nur ganz grundlegende Benimmregeln beibringen kann. Schülerinnen und Schülern zuhören zum Beispiel. Normale Gespräche mit den Eltern. Grüßen auf dem Gang. Solche Sachen halt. Es bräuchte nicht sehr viel für eine bessere Schule.