27. Dezember 2021

Ein Interview mit Frau Bildungsministerin Simone Oldenburg in der Ostsee Zeitung

Frau Oldenburg wohnt im Nachbardorf. Sie ist "unsere" Bildungsministerin. Sie war mal Schulleiterin in Boltenhagen, sie ist von der Linkspartei und es ruhen unsere ganzen Hoffnungen auf ihr. Umso interessanter ist es, wenn ein Interview mit ihr in der Zeitung unter der Überschrift "Politiker privat - Simone Oldenburg: MVs Bildungsministerin über Shopping, Schule ab 9 und wohnliche Büros" kommt.

Im Text steht natürlich viel Blabla über Shopping und Gägelow. Am Schluss gibt es dann doch noch eine Sachfrage:

Schule ab 9.00 Uhr statt 7.30 Uhr?

Ich selbst bin Frühaufsteherin ....

Zurück zur Schule, 9.00 Uhr?

Die zwei Stunden müssten dann hinten angehängt werden...

Aaaaah krass ... Frau Oldenburg ... Hilfe!!! Hat die Frau wirklich so wenig Ahnung?

Ich lasse mich zu einem Leserbrief hinreißen:

Liebe Frau Oldenburg, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Ihre Aussage, dass die zwei Stunden hinten dran gehängt werden müssten, die bei einem späteren Schulanfang vorne fehlen würden, ist aber falsch! Kein Mensch, kein Kind, kein Erwachsener kann sich sechs oder mehr Schulstunden pro Tag konzentrieren. In den Schulen wird viel zu viel sinnlose Zeit verbracht, in denen lernschwache Schüler gepeinigt und lernstarke Schüler gelangweilt werden. Sowohl die Hirnforschung als auch die Lernforschung bestätigen die Erfahrungen, die mit flexiblen Schulanfangszeiten gemacht werden: es wird nicht weniger gelernt, sondern es wird mehr gelernt. Mit geringerer Frustration an den Schulen geht auch eine höhere Lernmotivation einher. Dies bestätigt auch John Hattie (australischer Bildungsforscher) eindrücklich in seinen Auswertungen der Metastudie.
Zusätzlich müssen Sie bei Ihren Überlegungen berücksichtigen, dass die Kinder in MV wegen teilweise langer Schulwege gezwungen sind um kurz nach 6 aufzustehen. Dies ist während der Sommerzeit kurz nach 5 Uhr! Dabei ist kein Kind in den Schlaf zu bringen, wenn im Sommer die Sonne noch hoch am Himmel steht, was zwangsweise zu Schlafmangel und unausgeschlafenen Kindern im Unterricht führt. Unausgeschlafene Kinder lernen nachweislich schlechter als ausgeschlafene.
Den Kindern, den Eltern, aber auch den Lehrern und der ganzen Gesellschaft wäre zu wünschen, dass aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse der Pädagogik und Lernforschung in den Schulalltag in MV einfließen würden. Nur so wird die kommende Generation die Herausforderungen stemmen können, die die Zukunft mit sich bringt.

Ein paar Tage später bin ich immer noch fassungslos über so viel Ahnungslosigkeit und so einem gesunden Selbstbewusstsein. Wenn sich bei mir eine Ministerin bewerben würde und den Satz "Ich selbst bin Frühaufsteherin" in diesem Kontext ohne weitere Reflexion bringen würde, wäre die Entscheidung darüber, ob ich die Frau einstellen würde oder nicht schon gefallen. Ist es tatsächlich sinnvoll, ein ganzes Bundesland früher oder später zu wecken, nur weil man selbst früher oder später aufsteht? Wirklich? Frau Oldenburg? Lehrerin? Da bleibt mir der Kopf wieder schüttelnd auf dem Halse stecken.

https://perspective-daily.de/article/438-so-hat-der-fruehe-wecker-dir-geschadet/6khX2rqQ

Die Neurowissenschaftlerin Maren Urner und die Kognitionswissenschaftlerin Katharina Lüth wissen es besser. Lest mal den Artikel.