20. Juni 2025
Doppelmoral in der Kultusministerkonferenz
Wie erbärmlich ist das denn. Frau Oldenburg, seit 2021 stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern gibt dem Spiegel ein Interview [€] zum Thema Gedenkstättenbesuche mit Schulklassen. Wenn ich das lese, bleibt mir wirklich die Spucke weg. Und ich bin sprachlos. Die Dame war zuvor Schulleiterin. In Mecklenburg.
Ich erlaube mir hier ein paar Zitate aus dem Interview wiederzugeben. Das Interview ist überschrieben mit einem Zitat der Ministerin: »Hinfahren, abhaken, weiterfahren – das wollen wir nicht«. Und man fragt sich: was denn, Frau Ministerin? Was hilft denn wirklich? Denn es ist gemäß der Datenlage und Studienbasis sehr gesichert, was wirklich hilft. Frau Ministerin und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz weiß es besser ...
Man könnte in der näheren Umgebung der Schule recherchieren: Was bedeuten die Stolpersteine auf dem Boden, welche Biografien stehen dahinter? Man könnte Interviews mit Zeitzeugen aufbereiten oder eine Ausstellung zu jüdischem Leben in Deutschland erarbeiten.
...
Zum Beispiel ein Startchancenprogramm für Kitas, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten ist, das fordern wir Länder schon lange. Auch ein Programm gegen Schul- und Ausbildungsabbruch würde ich begrüßen.
...
Der Bund muss seine Bildungsausgaben erhöhen. Aktuell gibt er 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Prozent – rund 40 Milliarden Euro – sollten es aus meiner persönlichen Sicht mindestens sein.
Frau Oldenburg lässt die alte Politikerinnenleier los: mehr Geld für Bildung, die Bundesbildungspolitik ist zuständig und es muss dies und jenes getan werden ...
Dass das eigene Ministerium ein Sauhaufen ist, darüber kein Wort. Erst vor wenigen Wochen haben Schülerinnen und Schüler vor ihrem Ministerium demonstriert. Die Aussagen waren klar und verständlich: Schule muss sich mehr an den echten Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern orientieren. Ganz nebenbei: das steht so auch im Landesschulgesetz. Nur: es wird nicht gemacht. Tagtäglich werden in Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern tausende von Schülerinnen und Schüler bedroht und gedemütigt und ihre ureigensten Bedürfnisse werden ignoriert. Weiterhin: wissenschaftliche Erkenntnisse, wie Kinder gut und sinnvoll lernen werden ignoriert.
Zitat Frau Oldenburg:
Schülerinnen und Schüler müssen sich mit Antisemitismus und auch mit der NS-Geschichte auseinandersetzen und eine Haltung entwickeln – und Lehrkräfte müssen sie dabei unterstützen.
Das ist natürlich vollkommener Stuss. Schülerinnen und Schüler müssen überhaupt nichts. Das, liebe Frau Oldenburg, ist der zentrale und elementare Denkfehler. Das sollten Sie als Ministerin eigentlich wissen. Denn: sowohl psychische als auch physische Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sind verboten. Es gibt also überhaupt keine Mittel, das Müssen auch durchzusetzen. Aus so einem Satz spricht die pure Ignoranz vor Ihrer eigentlichen Aufgabe ein zeitgemäßes Bildungssystem für Ihr Bundesland zu etablieren.
Diese Haltung ist erbärmlich. Und schädlich. Und widerlich. Anstatt dass Sie sich darum kümmern, wie Schule besser geht, wie Schülerinnen und Schüler Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung lernen, hängen Sie einem verkommenen und überholten Denken nach, welches auf einer autoritären und adultistischen Haltung baut. Kein Wort davon, dass die Schule selbst demokratisiert werden muss. Dass Schülerinnen und Schüler Demokratie nur lernen können, wenn sie diese auch selbst erleben können, Teil eines demokratischen Prozesses sind und Mitspracherechte haben. Und erzählen Sie nichts davon, dass es ja Mitspracherechte in Form eines Landesschülerrates gibt. Das ist ein Scheingremium. Die Schülerrechte müssen für jeden Schüler täglich, in jedem Moment spürbar, erlebbar sein. Es genügt nicht, dass Sie irgendeine Konstruktion erfinden, die nicht einmal den Namen verdient. Kein Wort davon, dass Schule ein Lernort werden muss, an dem sich jede Schülerin, jeder Schüler wohl fühlt, gesehen wird, sich entfalten kann und gefördert wird.
Mit diesem Interview, liebe Frau Oldenburg, zeigen Sie einmal mehr, dass Sie eine Fehlbesetzung sind. Sie zeigen sehr deutlich, wo der Fisch zu stinken anfängt. Es genügt eben nicht, sich im Politikbetrieb erfolgreich durchzusetzen und einen tollen Posten zu bekleiden. Der Posten muss auch ausgefüllt werden. Mit Kompetenz, Empathie und Engagement. Zurücklehnen genügt nicht.