7. Juli 2025

Wie sinnvoll ist es Arbeitshefter zu bewerten.

Es geht dem Schuljahrsende der Klasse 8 eines Gymnasiums in Mecklenburg entgegen.

Es ist kurz vor 7 Uhr. Der Schüler schaut auf sein Händi. Er sagt, mit einem Grinsen im Gesicht: ich muss euch eine E-Mail vorlesen.

Er liest: "Lieber Schüler, damit ich Deinen Arbeitshefter endgültig bewerten kann, eine Frage: Du hast die LEKs nicht im Arbeitshefter abgeheftet. Du kannst dies noch bis Mittwoch nachholen. Dein Lehrer Bremser"

Nun. Den Lehrernamen habe ich von einem intelligenten Schriftsteller übernommen. Der Lehrer heißt anders. Und er ist auch nicht halb so verständig wie der Lehrer Bremser.

Ich bin etwas konsterniert. Dass unser Herr Bremser etwas neben der Spur ist, das wissen wir. Ich weiß es aus Berichten der Schüler, die vieles gar nicht erfunden haben können. Und aus einem Gespräch mit einem Kollegen des Herrn Bremser.

Ich frage mich wirklich: darf der das?

Noten müssen (!!!) den Lern- und Kenntnisstand in einem Fach wiederspiegeln. Dafür sind sie da. Ob nun die Führung eines Arbeitshefters, in dem einfach nur alte Arbeitsblätter abgeheftet werden, den Kenntnisstand eines Faches wiederspiegeln, darf man in Zweifel ziehen. Ich gehe einen Schritt weiter: man muss dieses Bewertungskriterium in Zweifel ziehen. Und dafür gibt es gute Gründe. So können Schülerinnen, die fleißig ihre Arbeitsblätter in ihren Arbeitshefter abheften, kurz vor der Klassenarbeit ihren Arbeitshefter durchgehen und noch schnell durchschauen, was denn in der letzten Zeit im Unterricht vorkam. Schüler, die einen solchen Arbeitshefter nicht führen, können das nicht. Nun wird eine vergleichende Klassenarbeit geschrieben. In der vergleichenden Klassenarbeit wird der Wissensstand abgeprüft und benotet. Diejenigen, die ihr Wissen noch schnell vor der Klassenarbeit aus ihrem Arbeitshefter aufgefrischt haben, sind dabei im Vorteil. Die Führung des Arbeitshefters ist damit im Prinzip in der Klassenarbeitsnote enthalten. Aber noch viel mehr. Nehmen wir an, diejenigen, die ihre Arbeitsblätter nicht in den Arbeitshefter abgeheftet haben, schreiben genau die gleiche Punktzahl wie diejenigen, die ihre Arbeitsblätter ordentlich abgeheftet haben. Dann zeigen diejenigen, die ihr Wissen nicht noch einmal anhand der abgehefteten Arbeitsblätter vor der Klassenarbeit aufgefrischt haben, dass sie besser aufgepasst haben und das Wissen besser und langfristiger gelernt haben, als diejenigen, die ihren Arbeitshefter nochmal durchgegangen sind.

Aber zurück zum Herrn Bremser. Dieser bewertet einen nicht abgegebenen Arbeitshefter mit der Note 6. Bestrafung und Demütigung muss schließlich sein. Es gibt keinen (!) Beleg dafür, dass ein vorbildlich geführter Arbeitshefter irgendeinen Zusammenhang zum vorhandenen Wissen zeigt.

Es ist eindeutig, dass der Herr Bremser damit Dinge tut, die entgegen der Landesschulordnung sind. Wie viele Herr Bremsers gibt es? Wie viele Frau Bremser gibt es? Es müssen tausende sein. Und noch weiter: es geht ihnen gar nicht um die Bewertung des Lernstandes. Es geht ihnen um Demütigung von Schülerinnen und Schüler.

Ich kenne noch ein Argument. Es gibt Menschen, die behaupten, dass Schülerinnen und Schüler ja gefälligst lernen müssen ordentliche Arbeitshefter zu führen. Liebe Freunde ... haltet bitte einen Moment inne. Nein, wir befinden uns nicht mehr im 17., 18. oder 19. Jahrhundert. Schülerinnen und Schüler müssen überhaupt nichts. Schülerinnen und Schüler sind möglicherweise intelligenter als ihr glaubt. Sie wissen sehr gut, ob eine verordnete Tätigkeit ihnen nützt oder ob sie irre ist. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß und genau genommen verboten, Schülerinnen und Schüler durch Demütigung zu irren Tätigkeiten zu zwingen.

Dass Eltern, Schulleiterinnen und Schulleiter, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, Schulräte und Schulbehörden ein solches Treiben einfach so hinnehmen, teilweise noch fördern und unterstützen ist der Skandal. Dieses Treiben ist ungenügend.

Schule geht besser.

Nachwort

Ich kenne etliche Menschen, die dieser Demütigung nachgegeben haben. Sie haben alles getan für gute Schulnoten. Es wurde alles getan, um dem Lehrer zu gefallen. Den Lehrern wurden die Schuhe geküsst. Ja, ihr lest richtig.
Der Preis, den sie dafür gezahlt haben und immer noch zahlen ist hoch. Sie haben es aufgegeben ihre eigene Persönlichkeit zu spüren und wahr zu nehmen. Ihre eigenen Bedürfnisse wurden zurück gestellt. Ihr Leben war ein Leben für die Schule - für den Lehrer und für die Lehrerin. Für ganz banale gute Zensuren. Für gute Zeugnisse.
In der wichtigen Zeit zwischen Kindheit und erwachsen sein haben sie nie gelernt ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, zu artikulieren und zu leben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Dafür haben sie Persönlichkeitsstörungen entwickelt. Haben im Erwachsenenalter mit Depressionen und Verzweiflung zu kämpfen. Und das für nichts sagende Punkte im Zeugnis ...