20. Februar 2024

Schulerfahrung: Erster Schultag des zweiten Halbjahres einer 7. Klasse an einem Gymnasium in MV

Die Ferien haben wir entspannt zuhause verbracht. Ausschlafen, entspannt in den Tag hinein leben. Viel am Computer arbeiten, mit anderen Kollegen gamen. Und: zwei Gaming-Camps mit insgesamt 14 Teilnehmern, unsere Kinder eingeschlossen. Jeweils über zwei Tage trafen sich einmal neun, einmal fünf Kinder, um zusammen Zeit zu verbringen und zu gamen. Es war jeweils eine sehr harmonische Gruppe, die sich selbst organisiert hat. Spielekonsolen und Laptops wurden mitgebracht. Die erste Gruppe war auch viel draußen, hat Verstecken gespielt, hat Pokemons gejagt und ein Lagerfeuer gemacht. Geschlafen wurde nicht viel. Nach den zwei Tagen waren alle Kinder ziemlich kaputt. Ich habe für die Verpflegung gesorgt und habe mich über dieses lebendige freie Treiben gefreut. Wenn ich mal am Tisch gesessen bin und mitgegessen habe, so habe ich mich als Fremdkörper gefühlt. Die Jungs sind sehr unterschiedlich, es sind unterschiedliche Nationalitäten, Weltanschauungen und Religionen. Aber alle haben Spaß zusammen. Es sollte mehr solcher Ereignisse im Leben aller Kinder geben.

Nach zwei Wochen Winterferien geht "endlich" die Schule wieder los. Man würde sich wünschen, dass sich die Kinder auf den ersten Schultag nach den Ferien freuen. Das tun sie nicht. Ich bekomme sie dennoch aus dem Bett und auch noch knapp pünktlich zum Schulbus. S. zieht sich noch im Auto die Schuhe an - sonst hätten wir es nicht geschafft.

Es gibt im zweiten Halbjahr verschiedene Neuigkeiten. Zum einen wurde den Kindern versprochen, dass sie ab den Winterferien auch mit dem Tabletcomputer arbeiten dürfen. Zum anderen gibt es einen neuen Stundenplan. Die nicht so beliebten Fächer Geografie und Geschichte werden durch Angewandtes Werken und Technik und Physik ersetzt. Außerdem soll nun Philosphie unterrichtet werden.

Nach dem ersten Schultag habe ich wieder zwei aufgeregte Kinder hier. Die ganz spezielle Nachricht: die Klassenleiterstunde entfällt. Hä? Ich bin erstmal etwas sprachlos und warte die Erklärung ab: der Klassenlehrer hat am Freitag erst ab der 8. Stunde Zeit für die Klassenleiterstunde. Da hätten die Kinder dann zwei Freistunden. Und da wurde die Klassenleiterstunde dann kurzerhand gestrichen.

Ich bin immer noch sprachlos. Die Klassenleiterstunde dürfte bei Kindern im Alter von 13 Jahren die wichtigste Stunde in der Woche sein. Wenn sie denn auch vernünftig genutzt würde und nicht als Frontalveranstaltung durchgeführt würde. Was gibt es in so einer Klasse nicht alles zu besprechen? Wie wäre es zum Beispiel einmal damit den Sitzplan vernünftig auszuarbeiten und nicht per Dekret zu verordnen? Wie wäre es, die Kinder einmal nach neuen Unterrichtsformaten forschen zu lassen? Wie wäre es, einmal eine neue fiktive Schulordnung zu erarbeiten? Es ist - entschuldigt bitte den Ausdruck - vollkommen krank, dass die Kinder vor allem aus der Gestaltung der wichtigen Lernumgebung weitestgehend heraus gehalten werden. Es ist das allerwichtigste, dass sie in dieser Zeit soziale Skills entwickeln. So wichtig für den Lernerfolg. So wichtig fürs ganze Leben. Und diese Stunde wird einfach gestrichen.

Auch über den Einsatz von Tabletcomputern wird nicht gesprochen. Ich bekomme den Eindruck, dass die Kinder in der Schule vor allem frustriert und gestresst werden sollen. Statt sich um eine optimale Lernumgebung zu kümmern, werden den Kindern nun wieder fünf Tests angekündigt. Fünf Tests. Als wäre es das wichtigste der Welt.

Liebe Lehrer, liebe Schulleiterin - Schule geht besser!

Nachtrag

Nachdem ich eine E-Mail an den Klassenlehrer und die Schulleitung geschrieben habe, in der ich sowohl mein Verständnis als auch mein Bedauern darüber ausgedrückt habe, dass die Klassenleiterstunde entfällt, hat es offenbar hinter den Kulissen eine weitere Abstimmung gegeben.

Die Schulleitung schreibt mir:

Guten Tag Herr Liebscher,
selbstverständlich gibt es in allen Klassen bis zur 10. Jahrgangsstufe die Klassenleiterstunde. Aus welcher Quelle diese falsche Info kommt,kann ich nicht sagen.
Viele Grüße Maria Mustermann (Name geändert)

Kurz darauf entschuldigt sie sich für die Verwendung eines falschen Namens.

Ich schicke ihr daraufhin den mir vorliegenden Stundenplan, der keine Klassenleiterstunde enthält.

Einen Tag später kommt die Mail vom Klassenlehrer

Hallo Herr Bund,

Wir haben eine Lösung für die Klassenleiterstunde gefunden. Diese findet jetzt alle 2 Wochen als Doppelstunde im Wechsel mit Philosophie statt.

Beim nächsten Mal würde ich mich über ein wenig mehr Geduld freuen. Ich habe nämlich das etwas anders kommuniziert, als es bei Ihnen angekommen ist. 

Im ursprünglichen Plan war diese nämlich Freitag in der 9. Stunde angesetzt, weshalb ich mich um eine bessere Lösung bemüht habe.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Mustermann (Name geändert)

Auffallend ist, dass er versucht den Grund für die Verwerfung mir in die Schuhe zu schieben. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, in der E-Mail an die Eltern folgenden Satz zu schreiben:

Im aktuellen Stundenplan ist im Moment keine Klassenleiterstunde zu finden. Wir arbeiten hier noch an einer Lösung und teilen Ihnen diese zeitnah mit.

In der Schule kommt es wie im echten Leben auf ein konstruktives Miteinander an, um beste Ergebnisse zu erzielen. Man muss eine gewisse Tragik darin erkennen, dass Elternmitarbeit an Schulen unerwünscht ist - wie dieses Beispiel deutlich zeigt. Dass sich der Klassenlehrer durch mein Ansinnen beleidigt gefühlt hat, zeigt sich auch dadurch, dass er in der Klasse davon gesprochen hat, dass sich Eltern beschwert hätten. Nur: beschwert habe ich mich gar nicht. Auch hier zeigt sich einmal wieder: Schule geht besser.