9. April 2022

Hipokratischer Eid für Lehrer oder Vorschlag und Versuch eines Verhaltenskodex an Schulen

Massenhaft hören wir Klagen aus den Schulen: "Das Verhalten der Schüler heutzutage ... - eine Zumutung" oder "wir können mit diesen Schülern keinen geregelten Unterricht machen" oder "Problemschüler gehören nicht in Regelklassen" - "wir brauchen mehr disziplinarische Maßnahmen an Schulen" - die Formulierungen variieren und lassen sich endlos fortsetzen und sind so neu auch gar nicht. Bereits Sokrates schrieb "Die Jugend ... hat schlechte Manieren, verachtet Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Menschen ...". SchuleGehtBesser kann das natürlich schwerlich so hinnehmen. Denn: es geht besser. Das zeigen viele Schulen jeden Tag, das zeigen Studien, das zeigen die Verhaltensforscher. Warum sollten wir also in den Dauerkanon des Jammerns mit einsteigen?

Mein ganz persönlicher und einziger Verhaltenstipp ist: verhalte dich so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Daraus lässt sich in jedem Moment das richtige Verhalten ableiten.

Zunächst aber mal die Grundlagen der Verhaltensbiologie. Der Mensch als das empathische Säugetier lernt von Vorbildern. Das bedeutet, dass der Lehrer an allererster Stelle das Vorbild ist. Dies gilt sowohl aufgrund seines Alters als auch seiner Stellung. Es ist also ein Irrtum zu glauben, dass ein Lehrer für die Einhaltung des Lehrplanes zuständig ist. An erster Stelle ist der Lehrer Vorbild, der Lehrplan kommt an zweiter oder dritter Stelle.

Wir müssen ein paar weitere Sachen der Verhaltensbiologie klären. Eine Schulklasse ist eine unnatürliche Herdenbildung. Der Mensch ist kein Herdenwesen, der Mensch lebt in familialen und heterogenen Gruppen und kann dort seine Individualtiät stärken. Seit zigtausenden Jahren. Erfolgreich. So eine unnatürliche Herdenbildung führt zu besonderen Effekten. Innerhalb der Herde bilden sich Hierarchien. Es formen sich latent Leitfiguren. Und es gibt ein Gesamtklima in der Herde. So wissen Lehrer, die in unterschiedlichen Klassen unterrichten: diese Klasse ist ruhig, eine andere Klasse ist chaotisch.

Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten paarhundert Jahren, dass sich so eine Herde durch Züchtigung formen lässt. Natürlich kann man diese Form der Disziplinierung und Formung als ein Ideal ansehen. Ist sie aber nicht. Es sind stets rückständige Konzepte, die mit Züchtigung und Strafen formen. Hervorragende Künstler kommen nicht aus autoritären Verhältnissen. Die besten sportlichen Leistungen werden nicht durch Zwang erreicht. Eiserne Disziplin und Zwang dürfen nicht verwechselt werden. Kurz: damit müssen wir uns eigentlich gar nicht beschäftigen, wir können es nur noch als Erkenntnis und schlechte Erfahrung notieren. Und, man muss es ja doch ehrlich sagen: so ganz vorbei ist die dunkle Vergangenheit noch nicht. Es weht noch mehr von diesen Winden durch deutsche Klassenzimmer, als manchem Schüler lieb ist.

Kann ein Verhaltenskodex helfen? Immerhin lässt sich so ein Verhaltenskodex an die Wand nageln und es lässt sich immer mal wieder drauf schauen und es lässt sich die Frage stellen: passt mein Verhalten zu diesem Verhaltenskodex oder passt es nicht.

Wir können noch einen Schritt weiter gehen. In den Schulen ist ja so gut wie alles geregelt. Schulgesetze, Lehrpläne, Stundenpläne, Schulordnungen und andere Einrichtungen versprechen einen reibungslosen Ablauf. Warum gibt es keinen Verhaltenskodex?

Bei der Arbeit an diesem Verhaltenskodex wird mir mehr und mehr klar, dass es im Schulkontext, wie in jedem anderen Gemeinschaftskontext nicht darum gehen kann den einzelnen Gliedern (Schüler, Lehrer, Eltern) einen Verhaltenskodex zu geben. Es kann nur darum gehen, einen allgemeingültigen Kodex zu verfassen, der für alle Glieder gleichermaßen gilt.

  1. Ich bin in jeder Situation ein Vorbild. Wir Lehrende sind Vorbilder für Schüler, wir Schüler sind Vorbilder für andere Schüler. Wir Eltern sind gleichermaßen Vorbilder.
  2. Ich bin verantwortlicher Teil der Schulgemeinschaft. Ich erkenne meine Verantwortung, als Teil der Gemeinschaft zum Gelingen des Organismus Schule beizutragen.
  3. Ich werde niemals meine Machtposition ausnutzen, um andere Mitglieder zu bedrohen, zu beschimpfen, zu tadeln, in ihrer Würde zu verletzen oder anderweitig zu diskriminieren oder zu diskreditieren.
  4. Wir sind individuelle Persönlichkeiten und achten uns gegenseitig.
  5. Ältere Mitglieder sind sich der Verletzlichkeit von jüngeren Mitglieder bewusst. Wir nehmen Rücksicht aufeinander.
  6. Kinder sind keine kleine Erwachsene. Sie unterstehen einem besonderen Schutz.
  7. Ich höre zu.
  8. Ich lerne.
  9. Ich trage Verantwortung.
  10. Wir kommunizieren offen miteinander und wissen, dass uns dadurch kein Nachteil entsteht.
  11. Bei Schwierigkeiten hole ich mir Rat und fachliche Hilfe bei kompetenten Kollegen, der Schulsozialarbeit oder dem schulpsychologischen Dienst. Es ist keine Schwäche etwas nicht zu können. Es ist eine Schwäche dies nicht zuzugeben und nichts dagegen zu tun.

Das ist ein sehr grober erster Entwurf. Ich suche einen oder mehrere Lehrer und mehrere Eltern und Schüler, die an so einer Ausarbeitung eines Verhaltenskodes mitarbeiten würden. Meldet euch doch mal.

Quellen:

https://www.mandree.de/verhaltenskodex-fur-lehrer/

http://teacherprimer.com/hippocratic-oath-for-teachers/