29. Mai 2025

Ein 14jähriger erlebt Schule anders

Vorgestern kam ein 14jähriger um 21.30 Uhr nach Hause. Und war voller Energie. "Schule kann so anders sein!" - sagte er voll Freude und Begeisterung. - Was war geschehen?

Der 14jährige kam aus dem Theorieunterricht der örtlichen Fahrschule. Er macht gerade seinen Führerschein AM und hat am Abend noch drei Stunden Frontalunterricht erlebt. Frontalunterricht der anderen Art, muss man dazu sagen. Es handelte sich um eine Doppeleinheit, also zwei Unterrichtseinheiten am Stück. Ich hatte zunächst Bedenken, ob wir dieses Modell wählen sollten, entschied mich aber dann doch dafür, da die Logistik des Schülertransportes nicht unerheblich ist.

Wir saßen dann beim späten Abendessen und haben analysiert, was denn am Fahrschul-Frontalunterricht so anders ist als am Unterricht im örtlichen MINT-Gymnasium.

Es fielen ein paar Punkte auf.

  1. Der Lehrer war begeistert.
  2. Der Lehrer konnte seine Begeisterung für den Stoff auf die Schüler übertragen.
  3. Jeder Teilnehmer konnte zu jeder Zeit Fragen stellen, die auch beantwortet wurden.
  4. Der Fahrschullehrer hat kein Pädagogikstudium, keinen Beamtenstatus und ein geringeres Gehalt als ein Lehrer
  5. Der Fahrschullehrer konnte den Stoff verständlich erklären.
  6. Es wurden sinnvolle Pausen (sogenannte Raucherpausen) eingebaut.
  7. Es ist durchaus möglich Unterricht für eine heterogene Gruppe zu machen.
  8. Der Unterricht wurde auf Augenhöhe durchgeführt, also kein adultistisches und autoritäres Gehabe seitens der Lehrperson.

Anmerkungen

Zu Punkt 3: Im örtlichen MINT Gymnasium demütigen die Lehrer die Schüler meist vor der ganzen Klasse mit Sprüchen wie "schau im Buch nach" oder "hättest Du aufgepasst ...". Das ist im Grunde verboten, wird aber dennoch täglich praktiziert.

Zu Punkt 5: Im örtlichen MINT Gymnasium ist dies häufig nicht der Fall. Schüler erarbeiten sich den Stoff häufig im Selbststudium zu Hause.

Zu Punkt 8: Wir erleben solche Demütigungen täglich. Ein Beispiel vom gleichen Tag. Der Schüler arbeitet in der Pause an seinem Tablet, um den Sitzplan zu bearbeiten. Ein Lehrer betritt den Raum und sagt: "Mach' das Tablet zu!". Der Schüler antwortet mit "Jo" und macht das Tablet zu. Der Lehrer herrscht den Schüler an: "Du sagst nicht 'Jo' zu mir! Das heißt 'Ja'!"

Upps - ganz schön viel Reflektion für so ein recht banales Event. Ein paar Sachen fallen dann doch auf. Die Fahrschule macht einiges einfach so richtig, obwohl sie sich vermutlich nicht mit hirnorganischen Prozessen beim Lernen beschäftigt hat. Ein guter Unterricht ist keine Geldfrage. Es bestätigen sich quasi alle Punkte moderner Studienergebnisse: die Gruppengröße hat eine untergeordnete Bedeutung auf das Lernergebnis. Ob Frontalunterricht oder Gruppenunterricht - auch hier ist der Unterschied eher marginal. Oder, wie John Hattie es ausdrücken würde: Teacher matters - es kommt auf den Lehrer an. Oder wie es Heraklit ca. 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung formuliert hat: Lehren heißt, ein Feuer entfachen, und nicht, einen leeren Eimer füllen.

Freunde, ich bleibe dabei: Schule geht besser.